Kolumbien: Justizapparat durch Streik lahmgelegt

Nach dem Mord an zwölf Mitgliedern einer richterlichen Untersuchungskommission durch eine rechtsextreme „Todesschwadron“ traten 22.000 RichterInnen und Gerichtsbedienstete in den Streik / Massaker setzt Serie von Anschlägen gegen die Justiz fort  ■  Aus Bogota Ciro Krauthausen

Aus Protest gegen die kaltblütige Ermordung von zwölf KollegInnen sind am Donnerstag in Kolumbien rund 22.000 RichterInnen und Gerichtsbedienstete in den Streik getreten.

Der Ausstand lähmte den gesamten Justizapparat des Landes. Der Präsident des Obersten Gerichts von Kolumbien, Jose Alejandro Bonivento, kritisierte am Donnerstag, daß die dritte Gewalt im Staate heimtückischen Anschlägen wie dem vom Vortag schutzlos ausgeliefert sei.

Die JustizbeamtInnen waren unter der Leitung von Richterin Mariela Morales Caro und Richter Pablo Beltran Palomino am Mittwoch im Gebiet des Magdalena Medio, 14 Autostunden von Bogota entfernt, unterwegs, um rund 30 Morden an Bauern und Gewerkschaftern in der Region nachzugehen. Diese sollen von rechtsextremen Killerkommandos verübt worden sein. Die beiden Geländewagen der Gruppe wurden an einer abgelegenen Straße in der Nähe des Dorfes Pueblo Nuevo von etwa zwanzig schwerbewaffneten Männern in Militäruniformen angehalten. Sie stellten sich der Kommission als Mitglieder der kommunistischen Guerilla-bewegung FARC vor. Die Kommissionsmitglieder wurden gefangengenommen und nach einem kurzen Verhör mit Maschinengewehren erschossen. Drei von ihnen konnten überleben, indem sie sich totstellten.

Zu der Ermordung hat sich inzwischen die rechtsextreme Todesschwadron MAS (Tod den Entführern), die schon seit Jahren Oppositionelle ermordet, bekannt, nachdem zunächst der Militärkommandant im Magdalena Medio, Farouk Janine Diaz, die Guerilleros der FARC beschuldigt hatte. In der Region operieren sowohl die Guerillabewegungen FARC und ELN, als auch eine Vielzahl von Todesschwadronen, die von Viehzüchtern, Militärs und Drogenmafiosi unterstützt werden. Der Distrikt ist ein ständiger Gewaltherd, in dem sich die Interessen von Großgrundbesitzern, Siedlern, Drogenhändlern und Guerilleros überschneiden.

Das Massaker reiht sich ein in eine wahre Serie von Anschlägen gegen die kolumbianische Justiz. Der blutigste Anschlag ereignete sich 1985, als linksgerichtete Guerilleros den Justizpalast in Bogota stürmten, wobei insgesamt über hundert Menschen ums Leben kamen. Ein Jahr zuvor war Justizminister Rodrigo Lara im Auftrag der Drogenmafia ermordet worden. Kolumbianische Richter leben ständig in Todesangst, insbesondere wenn sie gegen die übermächtige Kokainmafia des Landes ermitteln. „Alle Kolumbianer müssen vereint gegen den Terrorismus vorgehen“, erklärte Präsident Barco in einem Beileidsschreiben an Gerichtspräsident Bonivento.

Die Regierung weiß von der Existenz der Todesschwadronen im Magdalena Medio, hat aber bisher noch nichts gegen sie unternommen. In einem Land, in dem ohnehin 95 Prozent aller Verbrechen straffrei bleiben, sind die Richter nun erneut in das Visier der Gewalttäter geraten. Das Gemetzel vom Mittwoch dürfte ihre Arbeit nicht gerade erleichtern.