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Die Gummibärchen beißen zurück

■ Kleiner historischer und werbesoziologischer Überblick über ein Symbol des studentischen Widerstands

Auf T-Shirts hält er die UNiMUT-Fahne hoch, auf Buttons trägt er locker geschultert die Kamera der 'Video-Streik -Zeitung‘, oder er springt mit Boxhandschuhen durch das zerschlagene Rautengitter der „Republikaner“: Gummibär everywhere. Ohne Unterlaß die Zähne in seinem überdimensionierten Mund fletschend, ist das zurückbeißende Gummibärchen zur Symbolfigur der protestierenden StudentInnen geworden.

Schuld an allem hat Herr Habbich. Als Organisator der 40 -Jahr-Feier der FU hatte er die Idee, daß die Uni zwei verschiedene Aufkleber bräuchte: Einen mit dem „traditionellen“ Bären, wie er das Universitätswappen ziert, und den zweiten mit einem „etwas flapsigen neuen“, einem orange-farbenen Gummibärchen mit Lesebrille. „Dahinter stand die Idee, das ganze Jubiläum nicht so ernst zu nehmen“, erzählt Herr Habbich, und: „Natürlich hat der Präsident die Aufkleber vorher gesehen und zugestimmt.“ „Zuerst dachten wir, das wär 'ne Asta-Persiflage“, sagt der Publizistik -Student Matthias über den Aufkleber. „Das Gummmibärchen als Symbol für die Studies nehmen! Gummibärchen sind dehnbar, quetschbar, überleg Dir mal, was man mit denen vor dem Essen alles anstellt!“ Seit Wochen zeichnet er nun schon die zurückbeißenden Gummibärchen, in immer neuen Variationen selbst eine in Windeln und mit Nuckelflasche gibt es, für die Streik-Kita.

Kein Che, kein Dutschke, kein Ho Ho Ho Chi Minh: Große Identifikationsfiguren haben die StudentInnen heute nicht, woher auch. Die Arroganz der Mächtigen macht sie zu Gummibärchen. Und selbstironisch-souverän machen die wütenden Studis genau diese „Fremdbestimung“ zu ihrer Identifikationsfigur - zurückbeißend, versteht sich. An der FU ins Leben gerufen, hat das kämpferische Gummibärchen schnell die übrigen Hochschulen erobert und inzwischen selbst in der jüngsten Zeitung der AL-Jugend den lahmen Igel aus der Titelzeile geschmissen. „Wenn ich zusammenrechne, wo unser Gummibärchen schon überall abgedruckt worden ist, kommt seine 'Gesamtauflage‘ bisher auf rund 1,3 Millionen“, schätzt Zeichner Matthias.

Den der StudentInnen kenne sie nicht, „aber Gummibärchen werden öfter zu Werbezwecken genommen, für Schmuck zum Beispiel“, erklärt mir übers Telefon eine Frau von der Haribo GmbH & Co KG, Bonn. Vor 66 Jahren erblickte dort der erste Gummibär das Licht der Welt. „Auch beim Karneval gibt's oft Gummibärchen als Figuren oder als Verkleidung aber ich weiß ja nicht, ob sie das in Berlin so kennen“, fährt die Stimme aus Bonn fort. „Meistens freuen wir uns drüber. Aber wir könnten da auch gar nichts machen, denn die Form des Gummibärchen ist halt nicht per Copyright schützbar.“

Bert Hoffmann.

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