: Geschürter Konflikt
Prager Führung benutzt Proteste gegen Perestroika ■ K O M M E N T A R E
Da unterschreibt die tschechoslowakische Delegation auf der Wiener KSZE-Nachfolgekonferenz feierlich ein Dokument, in dem sie Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit garantiert, und zur gleichen Zeit prügelt die Prager Polizei friedliche Demonstranten mit Wasserwerfern, Hunden und Tränengas durch die Altstadt. Angesichts der Tatsache, daß die Initiative zu den Protesten von einer vergleichsweise kleinen Gruppe Oppositioneller ausging, ist es kaum verständlich, warum die Führung der CSSR auf einmal beschlossen haben soll, dermaßen ihr internationales Image zu ruinieren. Zumal inzwischen vieles darauf hinweist, daß die Behörden den Konflikt absichtlich anheizen. Offenbar hat sich die KPC entschlossen, sich auf einen Schlag der demokratischen Opposition zu entledigen. Auf Verständnis in Moskau kann sie dabei nicht rechnen: Nach der gewaltsamen Auflösung der Demonstration zum 70.Jahrestag der Tschechoslowakischen Republik im letzten Jahr hin gaben sich in Prag plötzlich tagelang hochrangige Gäste aus der UdSSR die Klinken in die Hand. Anschließend durfte die demokratische Opposition ganz legal ihre Kundgebung zum Tag der Menschenrechte im Dezember abhalten.
Mit der systematischen Verunglimpfung der „Charta 77“ als Nazis, Bombenleger und Umstürzler soll offenbar den sowjetischen Genossen klargemacht werden, daß die friedlichen Demonstranten vom Wenzelsplatz „wirklich gefährlich“ sind. Die Methode hat Tradition, Dubceks Sturz 1969 leitete die tschechische Geheimpolizei mit Steinwürfen auf das Prager Aeroflot-Büro ein. Jetzt schreibt die Parteipresse, die Proteste würden von „Gegnern der Perestroika“ angezettelt, und die sowjetische Nachrichtenagentur 'Tass‘ hat diese Version inzwischen übernommen. Diese Botschaft liegt ganz im Sinne der Prager Parteiführung um Milos Jakes: Allzuviel Perestroika ruft erst die „konterrevolutionären Elemente“ auf den Plan. Da tut es not, auf einen Umstand hinzuweisen: Im Gegensatz zur Geheimpolizei haben die Demonstranten in Prag bisher auch nicht einen einzigen Stein geworfen.
Klaus Bachmann
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