Szenisches Gestammel ("Lockvögel" von Rolf Silber, Montag, 23. Januar, 19.30 Uhr im ZDF)

(„Lockvögel“ von Rolf Silber, Montag, 23.Januar, 19.30 Uhr im ZDF) Ein „spannendes kriminalistisches Verwirrspiel um Erpresser, Spekulanten, Diebe und Liebe“ verhieß die Ansagerin, neckisch werbend, und wenn so viele unterhaltungsträchtige Elemente auf einem Haufen versammelt sind, ist erfahrungsgemäß eher Mißtrauen als Vorfreude angebracht. Das Fernsehspiel Lockvögel hat dieses erfahrungsgesättigte Vorurteil voll und ganz bestätigt. Wer es gesehen hat, muß nur einmal den Versuch unternehmen, die Handlung wiederzugeben - es ist hoffnungslos. Insofern hat sich wenigstens eins bestätigt: ein Verwirrspiel war's, aber nur deshalb, weil die Dramaturgie aus dem Ruder lief und Rolf Silber, Drehbuchautor und Regisseur, die verschiedenen Fäden, die er geknüpft hatte, nicht mehr entwirren konnte.

Der Szenensalat findet im Spessart statt, wo ein junger Unternehmer von einem alten Falkner Grund und Boden kaufen will, um einen Disneyland-Freizeitpark aufzubauen. Merksatz: „Deutsche Heimat plus Entertainment in einer sauberen Umwelt.“ Doch damit nicht genug: Ein „zwielichtiger“ Araber

-wie er in allen Vorankündigungen genannt wird - hat dem Falkner für 30.000 Mark den Falken „Aisha“ abgekauft, was wiederum des Falkners Schwiegertochter, beherzte Tierärztin und junge Witwe, partout nicht will. Nun hebt also das Verwirrspiel an: Der Falke wird angeblich geklaut, in Wirklichkeit aber nur von der Tierärztin auf dem Dachboden sichergestellt („Aisha, ich glaube, wir haben ein Problem“). Um die Tierärztin wiederum buhlen der deutsche Unternehmer und der arabische Falkenspekulant. Der alte Falkner blickt bald ebensowenig durch wie wir, die Zuschauer - aber der säuft ja auch. Das tun wir nicht. Am Ende ist das meiste ungeklärt geblieben. Der Araber jedoch scheint ausgetrickst, der Unternehmer führt die Witwe heim, der Falke schwebt zeitlupenlangsam in die Freiheit, das ZDF dankt dem zuständigen Regierungsbezirk für Luftaufnahmen Nummer sowieso.

Dazwischen gibt's etliche dramaturgisch haltlose Revolver und Dunkelmänner-Szenen, gibt's schauderhafte Dialoge: „Sie sehen komisch aus.“ - „Komisch, so.“ - „Ja, einfach komisch.“ - „Komisch?“ Und Wilfried Glatzeder muß so treudoof einen erfolgreichen Unternehmer mimen, daß man ihm eins ganz gewiß nicht glaubt: Erfolg. Auch die Liebesgeschichte glaubt man weder ihm noch ihr. Das Drehbuch hat sie nun mal vorgesehen, und der Kameramann tut auch sein bestes, um das Paar in einem illuminierten Kinderkarussell beim ersten Kuß zu filmen; er macht das durchaus unkitschig, aber wenn eine Inszenierung erzählerisch so unentwickelt ist wie diese, bleibt auch eine Liebesgeschichte im Regen stehen. Bemerkenswert allerdings war die Kamera, die eine Landschaft zeigte, wie man sie so edel-verhangen selten sieht. Freilich kann auch ein fähiger Kameramann mit schönen Bildern aus szenischem Gestammel keine Geschichte machen.

Sybille Simon-Zülch