: Jetzt doch: Glotz around the clock
■ SPD-Bürgerschaftfraktion beschloß Kehrtwende in der Medienpolitik / Gegen das von der SPD erarbeitete Landesmediengesetz sollen alsbald Lizenzen an Private vergeben werden / Grüne: Medienpolitischer Putsch / CDU: Idiotie
Seit gut einem Jahr von der CDU gefordert und mit der gleichen Beharrlichkeit von der SPD immer wieder abgelehnt, werden sie in wenigen Wochen doch durch die Bremer Lüfte schwingen: die privaten Fernsehanbieter von SAT-1 und RTL -plus. Mitten in die Endphase der parlamentarischen Beratung des Landesmediengesetzes hat die SPD-Fraktion jetzt kurzfristig eine Kehrtwende ihrer bisherigen Medienpolitik beschlossen. Der Rundfunkausschuß soll die beiden seit Jahresfrist zur Verfügung stehenden Frequenzen vorläufig und als „Betriebsversuch“ vergeben und zwar ganz ausgewogen eine Frequenz an die öffentlich-rechtlichen 3-Sat und 1-plus und eine an die Privaten. „Die zur Verfügung stehenden Frequenzen sollen auch genutzt werden“, begründete Fraktionschef Claus Dittbrenner die neue Linie.
Bislang hatte die SPD eine Freigabe der Frequenzen an die Verabschiedung eines neuen Landesmediengesetzes geknüpft. In diesem Gesetz ist ein Vergabegremium, ein parteiferner Landesrundfunk-Ausschuß vorgese
hen. Da es diesen noch nicht gibt, soll jetzt der bestehende Rundfunkausschuß die Vergabe vornehmen. In diesem Gremium, das eigentlich die Aufgabe hat, Kabelprogramme zu überprüfen, sitzen drei SPD'ler zwei CDU'lern gegenüber, nicht gerade ein Kriterium für die „Staatsferne“, die das Bundesverfassungsgesetz von Lizenz-Vergabegremien fordert.
Im Landesmediengesetz ist zudem festgeschrieben, daß die zur Verfügung stehenden terrestrischen Frequenzen in der besten Sendezeit zwischen 18.00 und 24.00 Uhr an die öffentlich-rechtlichen Anhängsel vergeben werden sollen. Die übrige Zeit sollten sich Private teilen dürfen. Eine dritte Frequenz, die im Laufe des Jahres dazu kommen soll, sollte dann ganz den Privaten vorbehalten bleiben. Allerdings sollte auch diese Vergabe an Kriterien, wie zum Beispiel lokale Fenster oder eine Beteiligung kultureller Veranstalter geknüpft werden.
Mit der vorläufigen Überlassung der Frequenzen würden endgültige Vergabeentscheidungen nicht präjudiziert, meint Fraktionschef Dittbrenner. Der Grüne Medienexperte Ralf Fücks mag gerade das nicht glauben: „Wenn die auf der Frequenz hocken, kriegt die da keiner mehr runter.“ Das Vorgehen der SPD zeige, daß der parlamentarische Medienausschuß bloße Fassade sei. „Entscheidungen fallen offensichtlich in Verhandlungen zwischen SPD, Rathaus und kommerziellen Anbietern.“ Erbost ist Fücks auch darüber, daß bevor die Bürgerschaft sich abschließend mit dem Landesmediengesetz befassen kann - dies soll in der nächsten Woche geschehen - entgegengesetzte Weichen gestellt werden: „Wenn das ernstgemeint ist, kann die Bürgerschaft das Gesetz in den Papierkorb werfen.“
Was für den Grünen ein „medienpolitischer Putsch“ ist, ist für CDU-Fraktionschef Reinhard Metz ein „fünffacher Rittberger“. Die CDU hatte bereits im Juni den Antrag gestellt, daß der Rundfunkausschuß die terrestrischen Frequenzen vergeben solle, und war damit auf Ablehnung bei der SPD gestoßen. „Es ist idiotisch im Februar ein Gesetz zu verabschieden und dann einen Test zu machen, der Testmomente enthält, die diesem Gesetzestext widersprechen.“
Einen Ärger hat sich die SPD damit aber erspart: Wenn am 1. März Werder gegen Mailand im ausverkauften Weser-Stadion spielt, wird niemand der SPD vorwerfen können, ihre Medienpolitik verhindere, daß BremerInnen im Fernsehen zuschauen können. Sat-1 überträgt live und alle können glotzen.
hbk
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