: „Keine Teilnahme am rassistischen Sport“
Gespräch mit Celin Clara, dem Vorsitzenden des „Südafrikanischen Sportrates“ (SACOS) ■ I N T E R V I E W
taz: Herr Celin, könnten Sie mir bitte die Geschichte von SACOS erzählen.
Celin Clara: Die nichtrassistische Sportbewegung folgte den politischen Strömungen der vierziger Jahre und versuchte, eine Organisation der Unterdrückten zu formen. 1958 wurde die SASA (South African Sports Association) gegründet, die die Situation der unterdrückten Sportler in diesem Land international bekannt machen wollte. Polizei und Unterdrückungsmaschinerie zwangen SASA jedoch dazu, in den Untergrund zu gehen, und sie verschwand in der Bedeutungslosigkeit. 1961 wurde dann SANROC (South African Non-Racial Olympic Committee) gegründet. Auch dessen Führungspersönlichkeiten waren einer starken Repression ausgesetzt. Die meisten gingen ins Exil. SACOS (South African Council On Sport) entstand 1973. Auch er hatte sich die Aufgabe gesetzt, international auf die Bedingungen des Sportes im Apartheid-Staat aufmerksam zu machen und die weltweite Isolation Südafrikas im Sport voranzutreiben. 1976 wurde Südafrika aus dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ausgeschlossen.
Was macht SACOS heute?
Wir sehen unsere Hauptaufgabe darin, jedem Unterdrückten in diesem Land die Möglichkeit zu schaffen, einen Sport auszuüben. SACOS repräsentiert 23 Sportarten, zum Beispiel Fußball, Rugby, Cricket, Tischtennis, Tennis, Volleyball. Wegen der staatlichen Unterdrückung in vielen Lebensbereichen bleiben den Schwarzen in diesem Land nur wenige Möglichkeiten sich auszudrücken. Die zwei Hauptbereiche, die noch nicht unter die Repression fallen, sind die Kirche und der Sport. Daher schließen sich junge Menschen, die sonst kulturell oder politisch aktiv wären, Organisationen im Sport an. Diese Menschen lehnen die Apartheid ab, sie lehnen die Unterdrückung ab, sie lehnen die Auflagen, die dem Sport in diesem Land aufgegeben sind, ab und sehen dies als eine Möglichkeit an, ihre Opposition gegenüber dem Apartheidregime zu demonstrieren. Während der '76er Unruhen wurden viele Sportler und Sportfunktionäre gebannt und umgebracht, nur weil sie sportliche und politische Belange nicht voneinander trennten.
Wir haben klargemacht, daß wir uns nicht am „rassistischen Sport“ beteiligen. Die Südafrikanische Regierung hat dies schmerzlich zur Kenntnis nehmen müssen, denn durch unseren Standpunkt erreichten wir den internationalen Sportboykott. Die Politiker können vielleicht den Erfolg, den Wirtschaftssanktionen haben, vertuschen, aber sie können den Sportboykott nicht vertuschen. Es verletzt die Herrschenden, wenn Sportler sagen, wegen eurer Apartheidpolitik nehmen wir an keiner Veranstaltung in Südafrika teil. Der Sportboykott ist also eine wirkungsvolle Waffe für uns.
Gibt es bei SACOS schwarze Sportler, die unter den Besten der Welt sind und wegen des Boykotts darunter „leiden“, nicht an internationalen Wettbewerben teilnehmen zu können?
Viele gute Sportler aus diesem Land konnten aufgrund der Rassengesetze an internationalen Sportveranstaltungen nicht teilnehmen. So war es immer nur das weiße Südafrika, das bei den Olympischen Spielen antrat. Schwarze Südafrikaner hatten fast nie das Recht dazu. Die schwarzen Sportler, denen eine Teilnahme an den Olympischen Spielen oder internationalen Sportveranstaltungen angeboten wurde, haben sie abgelehnt. Sie forderten zuerst eine grundlegende Änderung der Politik in Südafrika. Die weiße Regierung dieses Landes hat ein ökonomisches System geschaffen, das nur einem ganz geringen Prozentsatz von Menschen erlaubt, frei Sport zu treiben. Die meisten haben nämlich keine Lebensgrundlage, wie sollten sie da Sport treiben können. SACOS sagt, die Sozialstruktur und die Gesetze in Südafrika müssen so geändert werden, daß sie jedem Menschen erlauben, sich so weit wie möglich zu verwirklichen. Erst wenn das passiert ist, werden wir zusammen mit weißen Sportlern dieses Land bei internationalen Wettbewerben vertreten. Und die uns verbundenen schwarzen Sportler werden bis dahin das Opfer bringen, an internationalen Wettbewerben nicht teilzunehmen, und sich so mit dem Freiheitskampf in diesem Land identifizieren.
Interview: Rainer Unruh (Mitarbeiter der Berliner Entwicklungshilfe-Organisation Weltfriedensdienst e.V.)
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