: CDU-Wahlkampf mit Regierungsgeldern
Niedersachsens CDU-Regierung will mit erhöhtem Pressestellenetat über ihre Aktivitäten für eine saubere Nordsee informieren / Just zu diesem Thema soll auch die Landespartei eine Kampagne starten ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Man fühlt sich an Kiel erinnert: ausgerechnet ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl will Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) den Etat der Pressestelle seiner Regierung plötzlich auf das Dreifache aufstocken. Hatte nicht der verstorbene Uwe Barschel damals, in einer ähnlich schwierigen Situation wie heute der letzte CDU-Ministerpräsident des Nordens, über seine Pressestelle Mittel und Personal des Landes für den CDU-Wahlkampf zweckentfremdet, von der Einstellung des Medienbeobachter Pfeiffer ganz zu schweigen? Diesmal allerdings, so erklärte wenigstens am Donnerstag die Regierung Albrecht, soll „der geplante Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung“ in Vorwahlzeiten allein „im Interesse Niedersachsens“ erfolgen.
Auf seiner letzten Sitzung am vergangenen Dienstag hatte das Kabinett Albrecht schon die Aufstockung der Mittel für die „Öffentlichkeitsarbeit“ beschlossen. Im Rahmen des ersten Nachtragshaushalts 1989, mit dem vor allem die Strukturhilfemittel des Bundes verteilt werden, soll der Etat der Pressestelle von bisher 1,5 auf dann 4,5 Millionen steigen. Schon in den nächsten Wochen, so teilte der Chef der Pressestelle, Regierungssprecher Fritz Brickwedde, dann mit, solle als erstes mit dem zusätzlichen Geld eine Informationskampagne „über die Aktivitäten der niedersächsischen Landesregierung für sauberes Nordseewasser“ finanziert werden.
Für den gleichen Zeitraum hatte allerdings auch der Ministerpräsident - auf einer Parteiveranstaltung vor 4.000 CDU-Funktionären am Abend des überstandenen Mißtrauensvotums - eine Kampagne angekündigt. Dort hatte Albrecht die 100.000 CDU-Mitglieder aufgefordert, „wieder Stände aufzubauen, Flugblätter zu verteilen, von Haus zu Haus zu ziehen“ Thema dieser entscheidenden „großen Offensive“ der Regierungspartei: ebenfalls die Rettung der Nordsee. Nun können praktischerweise in der angekündigten Partei-Kampagne auch die Broschüren Verwendung finden, die die Pressestelle der Landesregierung mit ihrem neuen Geldsegen zum Thema Nordseeverschmutzung finanzieren wird.
Für die Vorwahlzeit sollen auch neue Posten in der Pressestelle der Landesregierung geschaffen werden. Eine der beiden zusätzlichen Stellen soll der Auswertung der Niedersachsen-Berichterstattung in Funk und Fernsehen, also der Medienbeobachtung dienen. Neu einstellen will Regierungssprecher Fritz Brickwedde einen alten Weggefährten, den ehemaligen Landesgeschäftsführer der Jungen Union und jetzigen Verfassungsschützer Rüdiger Hesse. Nach der Aufstockung kann dann der ehemalige Verfassungsschützer darüber wachen, ob Positivmeldungen der Regierung duch Albrechts Haussender, den Norddeutschen Rundfunk, verbreitet werden.
Inzwischen allerdings scheint Albrechts Geldsegen für die „öffentlichkeitsarbeit“ auch bei den Spitzen der Landtagsfraktionen von CDU und FDP Assoziationen an Kiel wachzurufen. Am Dienstag wollen die Vorsitzenden der beiden Fraktionen noch einmal über das Thema diskutieren.
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