: Bürgerschaft presse- und bürgerfrei
■ Debatte über Uni-Streik fand hinter verbarrikadierten Türen statt / StudentInnen und JournalistInnen mußten draußen bleiben / Franke froh über „gewaltfreien Dialog“ / CDU fürchtet „rechtsfreie“ Uni-Räume
Unter weitgehendem Ausschluß der Öffentlichkeit debattierte die Bremer Bürgerschaft gestern über überfüllte Hörsäle, „rechtsfreie“ Räume und unerreichbare Professoren -Arbeitsplätze in der Bremer Universität. Sechzig bis siebzig StudentInnen hofften ebenso vergebens, der Parlamentsdebatte zuhören zu können, wie Reporter verschiedener Medien. Aus Sorge vor Zwischenrufen der streikenden Studenten von den Zuschauerrängen des Parlaments hatte dessen Präsident Dr. Dieter Klink die Bürgerschaftstore unmittelbar nach Beginn der Debatte ohne Ansehen von Personen, Presseausweisen und Grundrechten auf freie Berichterstattung verrammeln lassen. Ungerührt von den Versuchen der Reporter, ihrem Einlaßbegehr mit verzweifeltem Presseausweis-Pressen gegen die sicherheitssgläsernen Bürgerschaftstüren Nachdruck zu verleihen, kehrten die Abgeordneten Fluß und Brückner (SPD), Kudella (CDU) und Trüpel (Grüne) in den Plenarsaal zurück. Fraktions -Mitarbeiter mit Redemanuskripten und Antragsunterlagen blieben ebenso vor verschlossenen Türen wie der noch amtierende Chef der Bremer Senatskanzlei, Hans-Helmut Euler und Journalisten von Frankfurter Rundschau, taz und Deutscher Presseagentur.
Erst auf scharfe förmliche Proteste der in ihrer Arbeit behinderten Journalisten entschloß der Bürgerschaftspräsident sich, Pressevertretern mit eineinhalbstündiger Verspätung Zutritt zu
gewähren. Statt die Journalisten allerdings zu einem Nebenausgang zu dirigieren, wies Klink sie vorsorglich auf einen von ihnen erzwungenen Polizeieinsatz hin, ehe er den Haupteingang kurzfristig öffnen ließ.
In einer Erklärung am Ende der gestrigen Sitzung machte Klink die demonstrierenden Studenten für die Behinderung von Journalisten verantwortlich. Tatsache ist: Eineinhalb Stunden durften die Journalisten - von Studenten unbehelligt - ihrer Wege bis an die verschlossenen Bürgerschaftstüren gehen. Nur Staatsrat Hans Helmut Euler zog auf der ergebnislosen Suche nach einem unverrammelten Seiteneingang als unfreiwillige Spitze einer friedlichen Studenten -Demonstration mehrere Satellitenbahnen um das Bürgerschaftsgebäude, ehe er fröstelnd den Rückzug ins Rathaus antrat.
Als die Journalisten schließlich ihre Plätze auf der Pressetribüne einnehmen durften, kamen sie gerade richtig, um die eigenlobenden Worten von Bildungssenator Thomas Franke für die erfolgreiche Strategie des Dialogs mit den nicht ohne Grund unzufriedenen Studenten zu notieren. Erste Mitschrift auf dem taz-Block: „Eine rebellierende Studentengeneration ist kein Feld staatlicher Machtdemonstration. Die Polizei ist kein Hilfs-und Heilinstrument für gesellschaftliche Mißstände“. Franke weiter: „Gerade habe ich einen Anruf des Universitätsrektors erhalten. Alle Gebäude sind wieder frei zugänglich. Ich finde,
das Parlament sollte frröhlich sein, daß das gelungen ist, ohne daß Polizei einschreiten mußte.“
Ihren Einsatz hatte zuvor der CDU-Abgeordnete Schulte nahegelegt. Bei allem Verständnis für die berechtigte Forderungen der StudentInnen dürften Sachbeschädigung, Freiheitsberaubung und Nötigung als Ersatz für sachliche Argumente nicht hingenommen werden. Tatenlos habe der Senator zugesehen, wie an der Universität „rechtsfreie Räume“ geschaffen worden seien.
Lob von CDU und FDP bekam Franke hingegen für seine Beteu
erung, er werde auch unter dem Druck der StudentInnen und der von Uni-Rektor Timm zugesicherten paritätischen Beratungsgremien keiner Prüfungsordnung zustimmen, die nicht bundesweite Anerkennung finde.
Lob für die StudentInnen hatte hingegen die grüne Abgeordnete Helga Trüpel. Für sie haben sich die Studentinnen durch ihren Streik und ihre immer kritischeren Forderungen „als gesellschaftlich ernstzunehmende Gruppe“ wieder zurückgemeldet. Den Antrag der Grünen, unter dem Einduck der Studenten
proteste den gesamten Hochschulentwicklungsplan „noch einmal zur Disposition zu stellen“ und die vorgesehenen paritätischen Kommissionen „in allen Belangen zu unterstützen“ lehnte die Bürgerschaft ebenso ab wie die CDU -Forderung, „die gefährdetete Freiheit von Forschung und Lehre zu gewährleisten“ und alle Straftaten an der Universität „in gebotener Weise zu verfolgen“. Mit den Stimmen der SPD-Fraktion wurde der Senat stattdessen aufgefordert, „die in Bremen bestehenden Reformansätze zu erhalten und zu stärken.“
K.S.
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