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Billig und bequem für deutsche Männer

■ Thailändische Frauen als Prostituierte in der BRD / Oft unter falschen Versprechungen hergelockt / Wie Schlepper und Bordellbesitzer an diesen Frauen verdienen / Polizei drückt bei Zuhältern ein Auge zu / Aus Angst vor Abschiebung erstatten die Frauen fast nie Anzeige

Hübsches Thai-Modell besucht sie gern; Thai-Sternchen, Thai -Mausi rund um die Uhr für Sie da.“ So werden tagtäglich Frauen aus Thailand in einschlägigen Boulevardzeitungen feilgeboten. Die Nachfrage nach den angeblich „jungen und anschmiegsamen“ Frauen ist unter deutschen Männern groß. Nach Schätzungen arbeiten allein in West-Berlin täglich rund 2.000 thailändische Frauen als Prostituierte. Viele von ihnen sind zum Teil mit falschen Versprechungen - etwa eines gutbezahlten Jobs als Serviererin, Haus- oder Kindermädchen

-von Schleppern, Menschenhändlern und Zuhältern hergelockt und dann in die Prostitution getrieben oder sogar gezwungen worden. Für die Frauen ist dies oft die einzige Möglichkeit, in der Bundesrepublik zu Geld zu kommen, um davon ihre Familie in Thailand durchzubringen; die Großverdiener dabei sind allerdings die Schlepper und Menschenhändler.

Die Thailänderinnen haben keine Möglichkeit, sich gegen diese Ausbeutung zu wehren und sie anzuzeigen, solange sie hierbleiben wollen. Denn hier arbeiten sie - als Touristinnen eingereist - illegal, und nach deutschem Recht kann ohnehin jede Ausländerin, die der Prostitution nachgeht, abgeschoben werden. Die Folge: Die Frauen sind skrupellosen Geschäftemachern ausgeliefert und arbeiten unter oft kastastrophalen Bedingungen bis zu 18 Stunden täglich.

Die thailändische Dolmetscherin Sri beschreibt zum Beispiel ein Bordell in einem Westberliner Bezirk als „eine Ein -Zimmer-Wohnung in einer total abgefuckten Gegend“, wo es „schon im Treppenhaus nach Pisse stinkt“, und das Zimmer ist „kaum größer als vier mal vier Meter, eine Kochnische und Bad. Darin hausen vier Frauen und empfangen die Freier. Wenn eine einen Gast hat, müssen die anderen in die Küche oder ins Bad.“ Selbst der Berliner Staatsanwalt Sjors Kamstra, der für den Bereich organisierte Kriminalität zuständig ist, berichtet entsetzt, daß die Frauen unter „unmenschlichen und entwürdigenden Umständen - acht bis zehn in einem verhältnismäßig kleinen Raum - wie Vieh untergebracht sind“. Angst vor Rache

Doch nicht nur die Bordellbesitzer, sondern auch bei der Polizei sind die Frauen, wenn sie bei einer Razzia mitgehen müssen, entwürdigender Behandlung ausgesetzt. Nach Erfahrungen einer ehemaligen Mitarbeiterin einer Berliner Beratungsstelle für Geschlechtskrankheiten, Heide Simon, behandelt die Polizei sie „wie Kriminelle“. Die Frauen werden erkennungsdienstlich erfaßt, müssen eine Leibesvisitation und sogar eine vaginale Untersuchung über sich ergehen lassen - eine Situation, die für sie kaum zu ertragen ist. Elke Junius, ebenfalls von der Beratungsstelle für Geschlechtskrankheiten - eine der wenigen Anlaufstellen für thailändische Frauen überhaupt -, berichtet außerdem, daß die Polizei alle Frauen in ihrer „sogenannten Arbeitskleidung, einem Bikini zum Beispiel,“ fotografiert.

Auch sonst erweckt die Polizei häufig den Eindruck, daß sie eher gegen thailändische Prostituierte vorgeht als gegen Schlepper, Menschenhändler oder Zuhälter. Als sich zum Beispiel eine thailändische Prostituierte vor der Bedrohung und Mißhandlung durch einen Zuhälter in ein Berliner Frauenhaus geflüchtet hatte, fungierte ausgerechnet dieser stadtbekannte Zuhälter bei den polizeilichen Vernehmungen der Frau als Dolmetscher.

Rund 340 Polizeirazzien haben in den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres in Berliner Bordellen stattgefunden, etwa 700 Frauen wurden dabei überprüft. Im ganzen Jahr wurden 380 Frauen abgeschoben, die anderen „zur Ausreise aufgefordert“, was heißt, daß sie innerhalb einer bestimmten Frist „freiwillig“ ausreisen müssen, sonst werden sie abgeschoben. Und das bedeutet, daß ihnen eine Einreise als Touristin in Zukunft verwehrt wäre. Im gleichen Zeitraum hat die Berliner Polizei insgesamt gegen 70 Bordellbetreiber oder Menschenhändler ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, darunter 18 Verfahren wegen Verdachts des Menschenhandels, 40 wegen Förderung der Prostitution und zwölf wegen Zuhälterei. Nur selten werden wegen solcher Delikte tatsächlich Gerichtsverfahren eröffnet, und fast nie kommt es zu einer Verurteilung. So wurden 1987 in Berlin nur drei Männer wegen Förderung der Prostitution verurteilt, ein einziger wegen Menschenhandels.

Staatsanwaltschaft und Polizei erklären die niedrige Zahl der Gerichtsverfahren gegen die Großverdiener der Prostitution mit der schwierigen Beweislage. Tatsächlich erstatten thailändische Frauen fast nie Anzeige gegen Schlepper, Zuhälter oder Bordellbesitzer und verweigern meist auch jede Aussage. Sie haben einerseits Angst vor der Abschiebung und andererseits vor der Rache der - zum Teil organisierten - Menschenhändler oder Schlepper, deren Arm auch in ihr Heimatland reicht.

Doch selbst wenn sich die Frauen zu einer Aussage durchringen, wird das als Beweis vor Gericht kaum berücksichtigt, weil die Aussagen lediglich schriftlich vorliegen. Als Zeuginnen können die Frauen in einem Verfahren nicht mehr etwa zu ihrer Glaubwürdigkeit befragt werden, da sie längst abgeschoben worden sind. Außerdem stellen sich bundesdeutsche Gerichte insbesondere bei der Frage des Menschenhandels schnell auf die Seite der Täter. Menschenhandel „als Zuführung zur Prostitution mittels Gewalt, List oder Drohung“ müßte, laut Strafgesetzbuch, auf alle Schlepper zutreffen, die die Thailänderinnen zum Beispiel mit dem Versprechen auf eine gutbezahlte Arbeit etwa als Tänzerin, Kindermädchen oder Küchenhilfe hergelockt und dann in ein Bordell gekarrt haben. Doch wenn ein Angeklagter behauptet, die Frau habe in ihrer Heimat schon einmal als Prostituierte gearbeitet, ist ihm ein Freispruch so gut wie sicher.

Die juristische Logik führt Staatsanwalt Kamstra exemplarisch vor. Danach weiß „die überwiegende Zahl der Thailänderinnen, was sie hier erwartet, und vor diesem Hintergrund ist natürlich schon die erste Frage, inwiefern es überhaupt wahr ist, daß eine Thailänderin ausnahmsweise getäuscht wird“. Außerdem sei mittlerweile ja „bekannt, daß die Thailänderinnen nicht nur in Deutschland, sondern auch allgemein in der Welt herumreisen, um der Prostitution nachzugehen“. Nach Auffassung von Juristen fällt der Handel mit Prostituierten nicht unter Menschenhandel. Das heißt, so Elke Junius, „ein Menschenhändler kann eine Frau ungeniert in Thailand einkaufen. Wenn er weiß, daß sie dort schon als Prostituierte gearbeitet hat, kann ihm hier kaum etwas passieren. Das ist mit der allgemeinen Vorstellung gleichzusetzen, eine Prostituierte könne nicht vergewaltigt werden.“

Bordellbetreiber, die wegen „Förderung der Prostitution“ vor Gericht stehen, kommen in der Regel mit Geldstrafen von 30.000 bis 40.000 Mark davon, Beträge, die sie längst einkalkuliert haben und auf die Prostituierten abwälzen, die dann noch weniger verdienen. Leichte Beute

Der Hintergrund, vor dem viele thailändische Frauen in Deutschland Geld verdienen wollen, ist die ständig wachsende Armut in ihrem Heimatland. Traditionell sind die Frauen dort für den Lebensunterhalt der Familie zuständig. Doch auf dem Land reichen die Ernten kaum noch für die Ernährung aus, und Frauen wie Männer versuchen, in der Stadt Verdienstmöglichkeiten zu finden. Wenn die Frauen Arbeit bekommen, sind es schlecht bezahlte Jobs als Hausmädchen, in Fabriken oder Bars, die nicht genügend einbringen, um die gesamte Familie zu versorgen. So bleibt als Ausweg häufig nur die Prostitution. Allein in Bangkok gehen rund 100.000 Frauen und 20.000 bis 30.000 Kinder der Prostitution nach.

Begonnen hat dieses Geschäft mit der materiellen Not während des Vietnamkrieges. US-amerikanische Soldaten wurden aus den Kampfgebieten nach Thailand gebracht, um sich in sogenannten „recreation areas“, sprich: Salons und Bordellen, zu erholen. Die männlichen Sextouristen, insbesondere aus der Bundesrepublik und aus Japan, haben diese spezielle Erholungsform ungebrochen bis heute fortgesetzt. Nicht zuletzt diese Sextouristen wecken bei den thailändischen Frauen Hoffnungen und falsche Vorstellungen auf bessere Verdienst- und Arbeitsmöglichkeiten im Ausland. So werden die Frauen leichte Beute für die Schlepper und Menschenhändler, die sie für die Bundesrepublik anwerben. Zur Finanzierung ihres Flugs nach Deutschland müssen die Frauen Schuldscheine in Höhe von etwa 4.000 Mark unterschreiben, womit sie von den Vermittlern völlig abhängig sind.

Nach Schätzung von Elke Junius aus der Berliner Beratungsstelle für Geschlechtskrankheiten weiß rund ein Drittel der Thailänderinnen nicht, daß sie in Deutschland der Prostitution nachgehen müssen. Und selbst wenn sie es wüßten, so Elke Junius, „haben sie keine Vorstellung davon, wie die Arbeitsbedingungen wirklich sind, daß sie zum Beispiel mit vielen Frauen in einem Salon rund um die Uhr arbeiten müssen, daß sie hier illegal leben und immer riskieren müssen, abgeschoben zu werden, daß sie sich an niemanden wenden können, wenn sie in Gefahr sind“.

Zu dem Druck, dem die thailändischen Frauen durch Salonbesitzer und Polizei ausgesetzt sind, kommt noch ein anderer hinzu: Wenn sie sich, so Elke Junius, „auf der Straße bewegen, ins Kaufhaus gehen oder andere Dinge tun wie ganz normale Bürger, werden sie von deutschen Männern angemacht oder sogar mißhandelt, weil jede Thailänderin von ihnen als Prostituierte angesehen wird“. Und so ist das Leben der thailändischen Frauen in Deutschland von Angst geprägt: Angst vor den Zuhältern und Bordellbesitzern, Angst vor der Polizei und einer möglichen Abschiebung, Angst vor den „ordentlichen“ Deutschen, gegen deren Übergriffe sie sich schwer wehren können.

Dennoch erzählen die meisten thailändischen Frauen nach ihrer Rückkehr in die Heimat in den seltensten Fällen von ihren schlimmen Erfahrungen. Als Gründe nennen Vertreterinnen thailändischer Frauengruppen einerseits die Unmöglichkeit, zuzugeben, daß sie als Prostituierte gearbeitet haben, weil „die soziale Verachtung für solche Frauen in Thailand sehr groß“ ist. Auf der anderen Seite fürchten die Frauen auch die Schlepperorganisationen, die nicht wollen, daß die Situation in Deutschland bekannt wird. Außerdem zwingt sie materielle Not der Familie die Frauen dazu, sich erneut in den Teufelskreis von Verschuldung und Prostitution im Ausland hineinzubegeben. Von einer deutschen Großstadt abgeschoben, kehren sie, mit einem neuen Paß und anderer Identität versehen, in eine andere deutsche Stadt zurück. Denn - das darf dabei nicht vergessen werden - der männliche „Bedarf“ nach thailändischen Prostituierten in der Bundesrepublik ist da. Eine Hochrechnung von Christian Mooshake, dem Mitarbeiter einer weiteren Beratungsstelle für Geschlechtskrankheiten in Berlin: „Wenn wir davon ausgehen, daß sich etwa 2.000 thailändische Frauen in Berlin prostituieren und jede etwa fünf Freier pro Tag hat, dann sind es rund 10.000 Berliner Männer, die täglich Kontakt zu thailändischen Frauen haben.“ Auf den Monat umgerechnet, suchen also rund 300.000 Männer thailändische Prostiuierte auf.

Warum deutsche Männer gerade zu ostasiatischen Prostituierten gehen, erklärt Christian Mooshake damit, „daß sich die Sexualität des Mannes reduziert auf den Geschlechtsverkehr und es offensichtlich gerade der Reiz ist, mit Frauen zu schlafen, mit denen man(n) sich nicht unbedingt unterhalten muß“. Allerdings hört der Berater manchmal auch soziale Rechtfertigungen, daß nämlich die Männer sich vormachen, „Entwicklungshilfe“ zu leisten, weil ja die Thailänderinnen von dem Geld ihre Familien in der Heimat unterstützten. Tatsächlich verhalten sich deutsche Männer gegenüber den thailändischen Frauen oft sehr brutal. Zum Beispiel kommen Prostituierte mit schweren Verletzungen, die ihnen Bordellbesucher zugefügt haben, in die Beratungsstellen. Auch hier gilt wieder: Eine Anzeige gegen die Gewalttäter ist unmöglich, weil die Frauen sofort von der Abschiebung bedroht sind. Visumszwang

macht alles schlimmer

Um die thailändischen Frauen in der Bundesrepublik vor der extremen Rechtlosigkeit und Ausbeutung zu schützen, muß nach Ansicht der ExpertInnen aus den Beratungsstellen sowie von Frauengruppen das Ausländerrecht zumindest insoweit geändert werden, als ausländische Prostituierte nicht länger automatisch ausgewiesen werden können. Insbesondere Frauen, die gegen die Drahtzieher dieser Prostitution aussagen wollen, müssen besonders geschützt und dürfen nicht abgeschoben werden - eine Forderung, der sich inzwischen auch der Frauenausschuß im Berliner Abgeordnetenhaus auf Antrag der Alternativen Liste angeschlossen hat. Für Staatsanwalt Kamstra ist das ein Schritt in die falsche Richtung, weil dadurch „Thailänderinnen, die eine belastende Aussage machen, praktisch mit einem Aufenthaltsstatus belohnt“ würden. Dagegen könnte jeder Verteidiger einwenden, daß auf diese Weise Frauen „zu einer falschen Aussage bewogen“ würden. Er plädiert für ein Bleiberecht thailändischer Frauen „solange sie gebraucht werden, um in einer Hauptverhandlung auszusagen“, und das müsse nicht nur für diejenigen gelten, „die belastende Aussagen machen, sondern auch für diejenigen, die möglicherweise für Bordellbesitzer entlastende Aussagen machen“.

Ansonsten befürwortet der Staatsanwalt Visumszwang für Thailänderinnen - Überlegungen, die inzwischen auch von der Bundesregierung angestellt werden. Durch den Sichtvermerk im Paß soll für ostasiatische Frauen - Männer wären davon ausgenommen - die Einreise in die BRD erschwert werden. Auf diese Weise, so argumentiert auch die Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Barbara John, könnte den Menschenhändlern das Geschäft vermiest werden, denn „das Visum verhindert, daß die Frauen die Zuhälter zu Millionären machen“. Eine Form bürokratischer Problemlösung, von der thailändische Frauengruppen nichts halten. Sie weisen am Beispiel Japan nach - dort existiert ein solcher Visumzwang

-„daß die Mittelsmänner dadurch noch mehr verdienen“. Die Vermittler besorgen den Frauen das Visum, wenn nötig auch mit falschen Papieren, das treibt die Kosten für die Frauen in die Höhe, sie werden noch abhängiger und können zusätzlich - wegen der falschen Papiere - kriminalisiert werden. Außerdem diskriminiert der Visumzwang grundsätzlich jede ostasiatische Frau. Ob sie als Ehe-, Geschäftsfrau oder Touristin einreisen will: pauschal würde allen unterstellt, daß sie beabsichtigen, auf den Strich zu gehen. An den Ursachen der Prostitution, der extremen Armut der Frauen und der extremen „Nachfrage“ bei deutschen Männern, ändert sich dadurch nichts.

Unterstützung für thailändische Frauen kann nur bedeuten, darin sind sich Frauengruppen und die ExpertInnen in den Beratungsstellen einig, die Rechtlosigkeit der Frauen zu beenden. Fazit von der ehemaligen AL-Abgeordneten Helga Hentschel: „Es ist im Grund genommen überhaupt nichts dagegen einzuwenden, daß Frauen auf ein Touristenvisum herkommen und sich prostituieren, wenn es freiwillig ist soweit man von Freiwilligkeit vor dem Hintergrund der Existenzbedingungen in Thailand sprechen kann. Das darf kein Abschiebegrund sein. Damit entkriminalisiert man die Frauen, und es kann ein anderes Vertrauensverhältnis entstehen. Das heißt, wenn sie unter ganz entsetzlichen Bedingungen hier arbeiten, können sie zur Polizei gehen und werden dann auch viel eher bereit sein, die Menschenhändler anzuzeigen und gegen sie auszusagen.“

Gitti Hentschel/Claudia Strauven

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