Sportpolitik: Wachablösung oder Kontinuität?

■ Eine rot-grüne Koalition würde die Probleme des Berliner Sports anders angehen als der jetzige Senat / Rückblick auf die vergangenen vier Jahre und Ausblick, was sich ändern könnte / SPD-Kern: Mit der Operetten-Politik muß Schluß sein - Bravo-Rufe von der AL

16.Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Haushaltsdebatte. Der sportpolitische Sprecher der SPD, Horst-Achim Kern: „Auch der zunehmende Einkauf von kommerziellen Schau-Veranstaltungen im Sport aus Steuermitteln vermag die sportpolitische Konzeptionslosigkeit dieser Senatorin nicht zu verdecken. Und ich sage, der Einkauf der Startphase der Tour de France in Berlin 1987 für über sechs Millionen Mark paßt in diese Operettenpolitik des Senats. Anstatt diese Summe für die Verbesserung der Vereinsarbeit, eine verbesserte Bezahlung von Übungsleitern oder die Sanierung von Sportstätten zu nutzen, fließt diese Summe in die Taschen von cleveren Geschäftemachern. Ich hoffe nur und habe die herzliche Bitte, daß sie nicht auf die Idee kommen, auch den Admiral's Cup auf der Havel oder gar die Eröffnung der Olympischen Spiele 1988 in Seoul im Berliner Olympiastadion einzukaufen.“

Lang, lang ist's her, daß der SPD-Mann in der Rolle des Oppositionellen die CDU kommentierte. Die Zeichen stehen auf Regierungssturm, auf Wachablösung. Die SPD-Sportpolitiker müßten sich jetzt nach der Wahl schon um 180 Grad drehen, wollten sie plötzlich mit der CDU auf der Havel segeln.

Jedenfalls: In der letzten Legislaturperiode vertrugen sich CDU und SPD in sportpolitischen Fragen oft so gut wie zwei Boxer im Ring. So kam der Coup der CDU, zum Schluß der zehnten Wahlperiode, das heißt kurz vor den Wahlen am 29.Januar, die Novellierung des Sportförderungsgesetzes durchzupeitschen, gar nicht gut an bei den Genossen. Die SPD hatte gefordert, „ausführliche Anhörungen von Vertretern der verschiedensten Institutionen und der verschiedenen Ebenen des Berliner Sports“ zu ermöglichen. Doch die CDU wollte es anders und setzte schnell nochmal mit der Verabschiedung des „Gesetzes zur Förderung der Sportorganisationen“ (O-Ton des sportpolitischen Sprechers der AL, Kuhn) ein (letztes) Zeichen. Kern war empört: „Das ist eine Frechheit, ein Gesetz so schnell durchzuziehen.“

Bei einer SPD/AL-Zusammenarbeit würde mit Sicherheit die Novellierung der Novellierung kommen. Eine breite Diskussion mit Verbänden, Vereinen und auch unorganisierten Gruppen stünde auf der Tagesordnung. VHS-Sportprogramme, kommunale Angebote und die Förderung freier Gruppen würden viel stärker als bei der alten CDU-Politik im Vordergrund stehen. Das jedenfalls ergibt sich aus der bisherigen Programmatik der beiden Oppositionsparteien.

Ein weiteres Feld der Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition war die Problematik zwischen Sport und Umwelt. Kern bei der Debatte zu einer Großen Anfrage seiner Fraktion über Sport, Umwelt und Wohnen in Berlin: „Weder Sie, Frau Dr.Laurien, noch diese Regierung sind glaubwürdige Mittler bei den Konflikten zwischen Sport und Umweltschutz. Ihre Einseitigkeit und Ihre sehr undifferenzierte Parteinahme beispielsweise für den Motorsport, eine Sportart, die im Grundsatz durchaus weiter ihre Berechtigung hat, ist stadtbekannt. Umweltschutz darf, wenn nötig, vor keiner Sportart haltmachen.“

Das war Musik in den Ohren der AL, die natürlich überhaupt kein Fan von Auto-und Motorbootrennen ist und forderte, „durch eine veränderte Politik“ die Krachmacher aufs Abstellgleis zu befördern. In diesem Zusammenhang will die AL bisher als einzige Partei Umweltverträglichkeitsprüfungen für Sportveranstaltungen durchführen. Das gleiche Verfahren schwebt der grünen Partei auch bei allen Bauprojekten vor.

Womit wir beim Flächennutzungsplan (FNP) wären, der 1988 vom Senat verabschiedet wurde. Im Rahmen der Neuordnung der Berliner Flächen legte der Senat 1986 ein „Sportanlagenentwicklungsprogramm“ vor, aus dem hervorging, daß die Berliner Bevölkerung zusätzliche 220 ha Nettofläche für den Sport benötigt. Zur Zeit stehen 35Prozent für Siedlungsfläche, 24Prozent für Gewerbe, Industrie und Verkehr, aber nur 1,4Prozent Fläche für den Sport zur Verfügung. Bei dem Themenkreis zum FNP schloß sich die SPD in einer Bewertung nach einer Anhörung verschiedener Expertengruppen im Dezember 1986 in allen Punkten dem CDU/FDP-Senat an. Allerdings hatte Kern im Juli des gleichen Jahres noch erklärt, daß „die Sportsenatorin Belange des Sports bei der Flächensicherung nicht konsequent vertritt“. Kern meinte, daß der Senat sich mit Phantomflächen für den Sport abspeisen ließe, und forderte, den Sport- und Umweltorganisationen ein eigenes Anhörungsrecht einzuräumen.

Wieder Bravo-Rufe der AL und wieder auch der Kick mehr Radikalität. Für die AL war klar, daß „nicht sachgerechte Analyse und die dringend notwendige Berücksichtigung ökologischer und sportpolitischer Interessen im Vordergrund stehen, sondern ein harter Verteilungskampf, der ohne nachvollziehbare Argumente und Bedarfsanalysen zugunsten der Wirtschaft auszugehen droht.“

In einer veränderten Politik könnten ganz neue Formen des Sportstättenbaus realisiert werden. Ungenormte Bewegungsräume in der Nachbarschaft für Freizeitsportler oder einfallsreichere Spielstraßen sowie eine Abkehr von den geplanten Großspielflächen wären verhandelbar.

Ein Highlight der CDU-Sportpolitik war die Olympia-2004 -Kampagne. Just zum Wahlkampf landete die Diepgen-Partei überraschend einen letzten großen Coup. Völlig überraschend, aber notwendigerweise von langer Hand vorbereitet, präsentierte der Senat dem Wahlvolk eine illustre Runde von Bänkern und Sportfunktionären, die ab Frühjahr 1989 die Rahmenbedingungen für Spiele in Berlin ausloten sollen. Diese Form der „Geheimdiplomatie“ dürfte bei einer rot -grünen Annäherung vorbei sein. Mehr Transparenz bei Verhandlungen mit der DDR stände in Sachen Olympia 2004 ebenso zur Debatte.

Die Senatsstellen für Polizei-Spitzensportler, die ab 1990 vom Innensenator finanziert werden sollten, ständen ebenfalls zur Disposition. Auch die Bezuschussung der Profi -Fußballer würde überprüft werden. Mehr Breitensportförderung durch die Gründung neuer Großvereine nach dem Vorbild des SC Siemensstadt könnte verhandelt werden.

Und nicht zuletzt hätte „Lauriens Sportpolitik, die immer mehr Geld für immer weniger Leistungssportler ausgab“ (AL -Mann Kuhn), ein Ende.

Theo Düttmann