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Einsicht durch Auflauf

■ Go-in beim Sozialamt Süd: Asylbewerber kriegten Geld für zwei Monate verweigerte Winterkleidung doch

Am Ende bewilligten der Amtsleiter im Sozialamt Süd, Herr Schirrmacher, und die Bereichsleiterin, Frau Frerichs, das Geld für die beantragte Winterbekleidung doch und sofort. Aber, betonte er: „Das hat nichts mit dem Auflauf hier zu tun.“ Der Auflauf bestand aus einem Dutzend Kurden, ihren DolmetscherInnen und Albert Timmers vom „Komitee für politische Flüchtlinge in der Türkei“. Er entstand im Dienstzimmer des Sachbearbeiters Horenkohl, der - jetzt im Krankenhaus befindlich - seit Dezember drei Kurden hartnäckig die beantragte warme Winterkleidung verweigert hatte. 'Der Auflauf‘ wollte, wie Timmers sagte, dagegen protestieren, daß das Sozialamt Süd verweigert, was die Sozialämter Mitte und West in analogen Fällen gewährten. Und: Entgegen der erklärten Meinung des Sozialsenators Henning Scherf würden an Ausländer, in diesem Fall Bewerber um politisches Asyl, andere Maßstäbe angelegt als an Bundesdeutsche.

Die beiden mantellosen Kurden gehören zu den 18 ehemaligen Häftlingen von Kirsehir, die

sich per Tunnel in die Freiheit gruben. Vier von ihnen sind seit November in Bremen und haben politisches Asyl beantragt und eben Anfang Dezember Winterkleidung beim Sozialamt. Die Sozialämter haben aber seit dem 9. November eine neue Richtlinie, die sie anhält, Hilfen zum Lebensunterhalt - und dazu gehört die Winterkleidung - an AsylbewerberInnen vor ihrer endgültigen Verteilung möglichst beschränkt zu verteilen. „Der Unterschied“ in der Behandlung von Deutschen und Ausländern, sagt Amtsleiter Schirrmacher, „bezieht sich nur auf die Zeit bis zur Zuweisung“. Im Unterschied zu seinen Kollegen in Mitte und West hatte Herr Horenkohl die Richtlinie aber sehr wörtlich genommen. Und verweigerte z.B. Sait K. die Winterkleidung, weil er schon welche und zwar sehr gute anhatte, weil er ihm nicht abnahm, daß die geliehen war, weil sie „größenmäßig voll auf Sie abgestimmt war“. Merke: manchmal stellt sich die sozialverwaltungsmäßige Gleichheit der In- und AusländerInnen erst im Lichte der Öffentlichkeit her.

U.S.

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