Fälschungsskandal an der FU verdichtet sich

■ Neuwahlen an der gesamten FU / Informierte Kreise berichten über Kungeleien zwischen Präsidialamt und dem Leiter des Wahlbüros Wahlbriefe wurden gefälscht / Alte Gremien bleiben vorerst bestehen / Heckelmanns Wahlintrigen haben Geschichte

Der Wahlskandal um die Stimmzettelmanipulation an der FU spitzt sich zu. Hatte der zentrale Wahlvorstand noch im Januar beschlossen, wegen der Stimmzettelfälschungen die Wahl nur in der Stimmgruppe der Professoren zu wiederholen, stehen jetzt Neuwahlen an der gesamten FU bevor. FU -Präsident Heckelmann höchstpersönlich beschloß dies zusammen mit den Vizepräsidenten in der sogenannten „Kleinen Routine-Sitzung“ am vergangenen Freitag. Damit sind die Gremienwahlen vom 12. Januar für ungültig erklärt. Da Heckelmann die Rechtsaufsicht an der FU innehat, konnte er die gesamtuniversitären Neuwahlen auch ohne Zustimmung des Zentralen Wahlvorstandes durchsetzen.

Mit dessen Einverständnis dürfte Heckelmann jedoch ohnehin rechnen. Wie der taz aus gut informierten Kreisen berichtet wurde, hatte es schon während des Wahlvorganges „intensive Kontakte“ zwischen dem Präsidialamt und dem Leiter des Wahlbüros, Deutschland, gegeben. Heckelmann soll sich laufend über erste Zwischenergebnisse informiert haben. Auf diese Weise habe er sich schon vorab ein Bild über die absehbaren Mehrheitsverhältnisse in den Gremien (Akademischer Senat, Kuratorium, Konzil) verschaffen können. Als sich abzeichnete, daß Heckelmann seinen Rückhalt in den Gremien verlieren würde, was nicht zuletzt ein Resultat des StudentInnenstreiks ist, habe es ganze Telefonkettenaktionen aus dem Präsidialamt gegeben, um potentielle Wähler aus dem rechten Spektrum zu mobilisieren, so die Informanten. Kein Zufall dürfte hierbei sein, daß Wahlunterlagen auch an nicht wahlberechtigte ehemalige Professoren gegangen sind oder daß Wahlunterlagen doppelt versandt wurden. In insgesamt 20 bekannten Fällen waren Wahlbriefe von ProfessorInnen sogar gefälscht worden.

Plötzlich wurden dann Wahlfälschungen entdeckt. Die Anfechtung der Wahl in der Stimmgruppe der Professoren folgte prompt. Mehrere kandidierende ProfessorInnenlisten wollten Neuwahlen. Folge: Der Wahlvorstand beschloß, die Wahl am 10. Mai zu wiederholen.

Die Frage, mit der sich die Rechtsabteilung der FU daraufhin zu beschäfigen hatte, war: wie setzen sich die Gremien bis zu den Neuwahlen zusammen? Die Antwort ist im Berliner Hochschulgesetz (Berl HG) zu finden. Dort heißt es, daß sich die Gremien dem Ergebnis der Wahl entsprechend konstituieren müssen, solange nicht erwiesen ist, daß die Anfechtung begründet ist. Normalerweise eine klare Sache. So sollen grundlose Wahlanfechtungen verhindert werden. Jedoch

-die Rechtsabteilung der FU entschied anders.

Ihre Interpretation: Die Wahl war keine gültige und hat deshalb überhaupt nicht stattgefunden. Die Gremien, so die Ansicht von Joachim Welz, dem Leiter der Rechtsabteilung, dürften sich deshalb vorerst in alter Zusammensetzung präsentieren. Ganz im Sinne des FU-Präsidenten. Der konnte sich bisher im Akademischen Senat und dem Kuratorium noch immer allgemeiner Beliebtheit erfreuen. Da Heckelmann außerdem in Rechtsangelegenheiten an der FU das letzte Wort zu sagen hat, wäre aber wohl auch ein gegenteiliger Beschluß der Rechtsabteilung wirkungslos geblieben. Der Präsident hätte wahrscheinlich selber dafür gesorgt, daß die Gremien in alter Besetzung bestehen bleiben.

Wie gefährlich die Machtbefugnisse Heckelmanns für demokratische Gremienwahlen an der FU sind, haben jetzt auch etliche Professorengruppen festgestellt. Sie fordern, daß Neuwahlen und die Untersuchung der Wahlmanipulationen nicht länger durch den Präsidenten kontrolliert werden dürften. Der Landeswahlleiter, so ihr Appell, solle sich persönlich um die Angelegenheit kümmern.

„Wenn Heckelmann die Wahlfälschungen selber untersucht, dann ist das ein Gewühle im eigenen Dreck“, beschrieb auch ein Mitarbeiter im Wahlbüro die Situation. Neuwahlen, so seine Ansicht, wären unter Leitung des FU-Präsidenten nicht mehr glaubwürdig.

Nicht zum ersten Mal stehen die Gremienwahlen an der FU unter einem schrägen Stern. Schon 1976 war es bei der Kandidatur des linken Professors Eberhard Lämmert zum FU -Präsidenten zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Unter dubiosen Umständen waren nach der Abstimmung die gesamten Stimmzettel verschwunden. Daraufhin hatte damals der Student Karl-Georg Wellmann (später Referent bei Kewenig und Fink) die Wahl vergeblich angefochten - in Absprache mit Heckelmann und Professor Siegfried Baske. 1983, als Baske gegen Heckelmann für das Präsidialamt kandidierte, bekannte Wellmann, daß Baske für das damalige Verschwinden der Stimmzettel mitverantwortlich gewesen sei und ihn zur Wahlanfechtung veranlaßt habe. Damit war Heckelmanns damaliger Konkurrent aus dem Rennen, und er bestieg der Präsidententhron selber.

Den scheint er auf keinen Fall preisgeben zu wollen. Das Gerücht, daß Heckelmann demnächst seinen Posten mit dem eines Bonner Staatssekretärs vertauschen will, wird wohl noch eine Weile Anlaß zu unbegründeten Hoffnungen geben.

Christine Berger