: „Es fehlt bei der AL noch ein Schuß Realismus“
■ SPD-Vorständler Norbert Meisner über die Gespräche zwischen SPD und AL am Dienstag abend / Dritte Gesprächsrunde bereits am Montag
Sie kommen gerade von den Gesprächen der SPD mit der AL. Gab es schon konkrete Pläne für die Koalitionsverhandlungen?
Nein. Die können nur gemacht werden, wenn die Mitgliederversammlung der AL Verhandlungen beschließt und eine Kommission bildet.
Das wird voraussichtlich am kommenden Samstag geschehen. Was passiert dann?
Wir werden uns gleich am Montag um 18 Uhr treffen.
Wo liegen für Sie - jenseits der Essentiels - nach den ersten beiden Gesprächen die Hauptschwierigkeiten?
Wir sind ein bischen konkreter geworden. Nach dem heutigen Gespräch scheint mir, daß das Bewußtsein von der begrenzten Fähigkeit von Politik in Berlin erst noch auf Seiten der AL wachsen muß. Konkret: Man muß sich doch darüber klar werden, wie begrenzt die finanzielle Lage eines Senats nach der Durchführung der Steuerreform ist, bei der Berlin viel weggenommen wurde. In Bonn sehe ich auch keine Möglichkeiten vor den Bundestagswahlen Ende 1990, um dies wieder zu ändern. Bei allen Änderungen, die man sich bei der Wirtschaftsförderung für die Stadt vorstellen kann, muß die sich messen lassen mit anderen Industriestandorten innerhalb des europäischen Binnenmarkts.
Können Sie konkreter werden?
Wir haben vorgetragen, wo zukünftig das Geld fehlen wird, ohne das wir es uns irgendwo holen können. Wenn zum Beispiel, wie von der AL vorgetragen, eine Art Maschinensteuer in Berlin erhoben wird, ein Fond also mit dem Arbeitsplätze-Abbau durch Finanzen ausgeglichen werden soll und aus dem dann das Land wieder neue Arbeitsplätze finanzieren könnte, die Gewerbesteuer erhöht werden soll, das Berlin-Förderungsgesetz verändert werden soll, dann muß doch gefragt werden, wie die Berliner Rahmenbedingungen für die Wirtschaft im Vergleich zu anderen Industriestandorten aussehen werden. Bei der AL muß da noch ein Schuß Realismus hinzukommen.
Wie weit sind die Sondierungsgespräche über Alliierte, Gewalt und Bundesbindung fortgeschritten?
Die drei Punkte haben auch heute noch einmal eine Rolle gespielt. Das Gewicht dessen, was wir da vortragen, ist noch nicht richtig von der AL eingeschätzt worden. Es geht uns dabei nicht darum, der AL Zugeständnisse abzuverlangen. Es geht dabei um einen großen Teil unserer Wählerschaft und einen großen Teil der Wähler, die uns nicht und auch nicht die AL gewählt haben, die wir aber für eine breite gesellschaftliche Mehrheit in der Stadt für ein solches rot -grünes Experiment brauchen, die als Eckpfeiler in einer Koalition festgelegt werden müssen.
Gabs dabei Fortschritte?
Es ging darum, die Gedankengänge zu verstehen. Kompromißformeln gibt es noch nicht.
mtm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen