Beinahe-Katastrophe in Atomfabrik

Alarmsystem in schwedischer Brennelementefabrik wurde absichtlich außer Kraft gesetz  ■  Von Reinhard Wolff

Stockholm (taz) - Die Beinahe-Katastrophe in der ASEA -Brennelementefabrik am 11.Januar war durch eine absichtliche Manipulation am Alarmsystem möglich geworden. Bei ASEA-Atom war diese - unzulässige und der Überwachungsbehörde unbekannte - Manipulation bereits Anfang der 80er Jahre vorgenommen worden. Dieses erste Ergebnis der Untersuchungen der staatlichen schwedischen Kernkraftinspektion (SKI) ist am Montag bekannt geworden.

SKI hatte nach fünf Störfällen innerhalb von zwei Wochen in der Fabrik von Västeras (siehe auch taz vom 26.Januar) den Auftrag erhalten, deren Ursachen aufzudecken. Die SKI interessierte sich dabei vor allem für die Vorgänge des schwersten „Störfalls“: Am 11.Januar waren 200 Kilogramm uranhaltiges Wasser ausgeströmt und hatten den Fußboden überschwemmt. Weil so das geschlossene Kühlsystem durchbrochen wurde, bestand die Gefahr einer Überhitzung des Brennofens, so daß nach Meinung der SKI eine „nicht mehr kontrollierbare Kettenreaktion drohte“.

Erstaunlich das erste Ergebnis der SKI-Untersuchungen. Bei ASEA hatte man absichtlich ein Alarmsystem durch eine Umgehungsschaltung außer Betrieb gesetzt. Dieses Alarmsystem sollte einen zu hohen Druck in einem der Lagertanks unmöglich machen. Anstatt rechtzeitig vor einem Unterdruck zu warnen, war an dem dafür nicht ausgelegten System ein Leck entstanden. Dieses war erst in allerletzter Minute entdeckt worden, bevor das ganze tatsächlich „unkontrollierbar“ geworden wäre. Wer genau für die Abänderung und Umgehung des von der Genehmigungsbehörde vorgeschriebenen Sicherheitssystems verantwortlich ist, hat die SKI noch nicht ermitteln können. Die „Fehlschaltung“ taucht auf 1984 angefertigten betriebsinternen Schaltplänen erstmals auf. Sie war der SKI nicht gemeldet und von dieser bis zu den Störfällen auch nicht entdeckt worden. Ein „Versehen“ wird seitens der SKI ausdrücklich ausgeschlossen: Die „Fehlschaltung“ sei planmäßig vorgenommen worden. Über das Warum stellt SKI keine Spekulationen an. Naheliegend ist aber die Erklärung, daß man bei ASEA im Interesse „ungestörter Betriebsabläufe“ für „überflüssig“ angesehene Sicherheitsschranken überschreiten wollte. Die SKI ist nun dabei, die gesamte Fabrik gründlich unter die Lupe zu nehmen.