: Wie aus ZeugInnen Beschuldigte werden
Flugblätter mit dem Aufruf zur kollektiven Zeugnisverweigerung reichen dem Staatsschutz, um aus ZeugInnen in 129a-Verfahren Werbende für „terroristische Vereinigung“ zu machen ■ Aus Bochum Walter Jakobs
Die bundesdeutsche Justiz verfällt auf immer neue Drohgebärden um Zeugen, die im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Personen aussagen sollen, denen nach Paragraph 129a eine Unterstützung der „Revolutionären Zellen“ oder der „Roten Zora“ vorgeworfen wird. Eine neues Kapitel bei der Ausweitung des 129a wird derzeit in Bochum geschrieben. Aus einem Beschlagnahmebeschluß des Oberlandesgerichtes in Düsseldorf vom 27.1.89 geht hervor, daß mehrere Bochumer ZeugInnen für den Staatsschutz inzwischen als Beschuldigte gelten, weil in ihrer Wohnung Flugblätter, Plakate und Broschüren gefunden wurden, mit denen für eine kollektive Zeugnisverweigerung im Zusammenhang mit der Großrazzia gegen revolutionäre Gruppen vom 18.12. 87 geworben wurde.
Das OLG stellt in seinem Beschluß fest, daß in den beschlagnahmten Schriftstücken dazu aufgefordert wird, „daß Personen, die als potentielle Zeugen im Rahmen von Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder oder Unterstützer der terroristischen Vereinigung 'Revolutionäre Zellen/Rote Zora/RZ‘ staatsanwaltschaftlich vernommen werden sollen, gegenüber den Strafverfolgungsbehörden keine Aussagen machen sollen. Mit diesem Einwirken auf den so angesprochenen - und über die Hintergründe gut informierten - Leserkreis mit dem Ziel, dessen Bereitschaft zur 'rechtlich grundlosen‘ Aussage - beziehungsweise Zeugnisverweigerung zu erwecken oder zu bestärken, wird das Entdeckungsrisiko für Mitglieder terroristischer Vereinigungen in nicht unerheblichem Maße gemindert. Diese Aufforderung ist geeignet, das Vertrauen von Vereinigungsmitgliedern auf eine breite solidarische Verschwiegenheit in der Szene zu bekräftigen und sich dadurch in ihrem organisatorischen Zusammenhang bestätigt und gesichert zu fühlen sowie sie zur Fortsetzung strafbaren Tuns zu ermutigen. Damit besteht der Verdacht, daß mit den Aufforderungen, keine Aussagen zu machen, Verfasser, Hersteller und Verbreiter dieser Schriften eine organisationsfördernde Wirkung entweder erstrebt oder aber zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die Beschuldigten“, so heißt es weiter, „stehen in dem Verdacht, zumindestens an der Verbreitung dieser Schriftstücke beteiligt gewesen zu sein; dies begründet den Verdacht des Werbens für eine terroristische Vereinigung gemäß Paragraph 129a, Abs.III STGB.“
Während in Bochum aus ZeugInnen Beschuldigte gemacht wurden, soll bei sieben anderen Personen mittels Beugehaft das gewünschte Verhalten erpreßt werden. Aus den entsprechenden Erzwingungshaftanträgen der Bundesanwaltschaft geht hervor, wie wichtig es den Karlsruher Ermittlern ist, die kollektive Zeugnisverweigerung zu verhindern. Von den etwa 200 Anschlägen der RZ/Rote Zora, so heißt es dort, „konnte nur ein verschwindend geringer Teil bekannten Tätern zugeordnet werden. Ein wesentlicher Grund dafür ist das Verhalten von Sympathisanten, die in der Erfüllung ihrer strafprozessualen Pflichten eine zu verneinende Kooperation mit dem Staatsschutz sehen“. „Deshalb“, so heißt es weiter, müsse die „kollektive Aktion“ über das Mittel der Beugehaft gebrochen werden.
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