: Naiv, zynisch-betr.: "Gentechnologie als Beruf", taz vom 1.2.89
betr.: „Gentechnologie als Beruf“, taz vom 1.2.89
(...) Beispielhaft sieht man hier, wo Wissenschaft hinführt, die nur denkt. Denken allein reicht nicht für Humanität. Lebendiges Gefühl ist ebenso wichtig, es ist aber oft nicht in ausreichendem Maß vorhanden, weil Gefühlsarmut die Berufskrankheit der Wissenschaftler ist. Der monströse Affenmensch würde jedem Menschen von Verstand und Gefühl das Herz im Leibe umdrehen: Welch brutale Vergewaltigung des Menschen, welch brutale Vergewaltigung des Affen. Vor Gen-Technologen, die dabei cool bleiben, habe ich Angst!
Volker Brandl, Karlsruhe
(...) Die fromme Erklärung, es sei „höchst bedauerlich“, daß die USA zunehmend die Erforschung biologischer Waffen finanzieren, klingt recht merkwürdig. Klar, ich fände es auch „wünschenswert, wenn derartige Forschungen weltweit eingestellt würden“. Aber die Entdeckung, daß die Weltpolitik anderen Gesetzen folgt als dem moralischen Imperativ, ist etwas älter als die Molekurlarbiologie. Die Vorstellung, das Pentagon würde ganz von alleine zu dieser Einsicht kommen, ist bestenfalls blauäugig.
Die pränatale Diagnostik von Embryos mit Down-Syndrom stellt eine Anwendung von gut etablierten cytogenetischen Methoden dar, die viel familiäres Elend abgeschafft hat. Aber die abwertende Unterstellung, Down-Kinder würden abgetrieben, weil einfach zu teuer für die Eltern, ist ungeheuer vereinfachend und überheblich. Will der Autor etwa die medizinische Indikation aus dem § 218 streichen? Im weiteren versteigert er sich sogar zu der Befürchtung, „die Frauen der Zukunft könnten ihre ersten Ungeborenen solange abtreiben lassen, bis sich das Idealkind ankündigt“. Was hat Müller-Hill für ein verachtungsvolles Frauenbild? Mir sind jedenfalls keine Frauen bekannt, die einen Schwangerschaftsabbruch dermaßen auf die leichte Schulter nehmen könnten. (...)
Nirgendwo sei bei einem Klonierungsexperiment etwas Gefährliches entstanden, das ein Opfer gekostet hätte, belehrt uns Müller-Hill. Na und? Vor Tschernobyl waren auch noch keine Kernkraftwerke richtig in die Luft geflogen. Wenn wir die Existenzberechtigung der Molekularbiologie verteidigen wollen (und ich will das), sollten wir nicht so primitiv-verharmlosend argumentieren. Die Expression eines menschlichen Gens, zum Beispiel eines Gerinnungsstoffes in fremden Zellen ist ziemlich ungefährlich und kann unter Umständen lebensrettend sein. Das Herumspielen mit den Bestandteilen von Retroviren kann ebenfalls sehr nützlich sein (man versucht zum Beispiel erbliche Blutkrankheiten mit Hilfe von „guten“ gentechnologisch zusammengebastelten Retroviren zu heilen), aber auch Monster ins Leben rufen, die wir dann nicht mehr so leicht loswerden können.
Um so wichtiger ist es (und hier stimme ich mit Müller-Hill überein), daß wir „kritische“ WissenschaftlerInnen in den staatlichen, akademischen und privaten Forschungsstätten Öffentlichkeitsarbeit leisten, denn letztlich nur wir direkte MitmacherInnen sind in der Lage, eine Kontrollfunktion auszuüben und auf Gefahren und Mißbräuche, aber auch auf die faszinierenden Erfolge aufmerksam zu machen. Dies dürfte für alle Beteiligten viel nützlicher sein als einfach entsetzt auszusteigen - es muß allerdings die ernstgemeinte Forderung gestellt werden, daß man/frau nicht gleich gelyncht wird, wenn man zum Beispiel bei einer Podiumsdiskussion (oder in der taz) seine MittäterInnenschaft bei der Molekularbiologie offenbart.
Dr. Adriano Aguzzi, Zürich
Der sogenannte „Mitarbeiter“ des Genetik-Instituts Köln ist genauer der Prof.Dr.rer.nat.Benno Müller-Hill, seines Zeichens Leiter des Abteilung für genetische Biochemie. Es handelt sich eben nicht um einen einfachen Mitarbeiter, sondern um einen hochdotierten Protagonisten der Gentechnologie. Dem Inhalt des Artikels entsprechend handelt es sich hiermit um eine gefährliche Verharmlosung. Einem exponierten Vertreter der Gentech sollte nicht unkommentiert so breiter Raum in einer kritischen Zeitung überlassen werden. (...)
Damit geht die Strategie der Anbiederung an Sozialisten oder Friedensbewegung (Starlinger: Leiter der Abteilung Genetik und Strahlenbiologie) auf, mit der einerseits ein kritisches Bewußtsein ausgestellt werden soll und andererseits von den eigenen Forschungsinhalten abgelenkt und diese als gesellschaftlich vertretbar, ja sogar segensreich proklamiert werden können.
So ist die angebliche Grundlagenforschung des Müller-Hill durchaus auch anwendungsorientiert, so wird u.a. Zuarbeit für die Pharmaindustrie geleistet. Bei den durch die Gentechnologie als so billig angepriesenen Impfstoffen für die „Dritte Welt“ gerät bei dem Pseudo-Sozialisten Müller -Hill zudem völlig aus dem Blick, daß die Verbreitung von Krankheiten wohl nicht nur an einem Mangel an neuen Arzneimitteln liegen. Aber gesellschaftlich-soziale Ursachen sind bei gentechnologischer „Grundlagen„-Forschung wohl nur hinderlich.
U.Dappen, Köln
(...) Bleibt die Frage: Warum macht sich die taz zum Sprachrohr solcher Positionen - gerade angesichts der aktuellen Verfahren gegen KritikerInnen der Gentechnik?
G.Stumpf, Bielefeld
„Dem Nichtwissenschaftler ist wahrscheinlich nicht klar, wie gering unser heutiges Verständnis des Lebendigen ist.“ Den Nichtwissenschaftlerinnen ist es schon lange klar, daß Ihr Gentechidioten keine Ahnung habt. Schaut Euch doch mal um, waren/sind es etwa die Tiere oder vielleicht sogar die Pflanzen gewesen, die diesen Planeten verseucht beziehungsweise wahllos in die Natur eingegriffen haben?
(...) Sorgt lieber dafür, daß Euer schon produzierter „Segen der Menschheit“ uns und die Umwelt nicht mehr als es sowieso schon der Fall ist, belasten, anstatt uns gegen die Umwelt resistent machen zu wollen. (...)
Und überhaupt mit was für einer Ignoranz stellen Sie das Leben von Menschen über das von Tieren und Pflanzen, indem sie darin aus purer Neugier ehrfurchtsvoll herumpfuschen, nur weil sie zufällig der Spezie Mensch angehören?
Lieschen Müller vom Lande, Gründerin des „Komitee Gentechnologen auf die Seziertische und unters Mikroskop“
(...) Anstatt sich endlich verantwortungsvoll mit ihren eigenen katastrophal vermehrten Abfallbergen zu beschäftigen, stürmt die Naturwissenschaft blind in ein neues „Erkenntnisfeld“ - eben die Gentechnologie. Dabei erlaubt man sich jetzt schon, in Voraussicht der neuen Abfälle, die Folgen den „unwissenschaftlichen Hellsehern“ aufzulasten. (...) Eine solche Moral läßt sich schwerlich durch den Verweis auf die Möglichkeit einer vereinfachten Insulinproduktion durch Anwendung der Gentechnik aus dem Bereich der völligen Verantwortungslosigkeit befreien. Die TrägerInnen einer solchen „naturwissenschaftlichen“, „fortschrittlichen“ Moral waren im Gegenteil immer dazu bereit, sich mit dem Argument der Erkenntnis des Neuen jedwedem Herrschaftssystem anzudienen - so dem Nationalsozialismus wie in Zukunft den AuftraggeberInnen von „Biowaffen“, gleich in welchem ideologischen System.
(...) Solange wir mit WissenschaftlerInnen einer solch platten „modernen Gattung“ gesegnet sind, brauchen wir uns über „nichtkalkulierte Folgen“ und „nichtbeeinflußbare Anwendung“ „reiner wissenschaftlicher Erkenntnis“ auch im Bereich der Gentechnologie nicht zu sorgen.
Christoph Reckhaus, Köln 30
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