Samba-Samstag statt Rosen-Montag

■ Die alternativen BremerInnen feiern den Karneval heute / Von 16.59 Uhr bis morgen früh / Mindestens 250 AkteurInnen mit Tamborinen und Federboas

Unter Bremens KarnevalistInnen ist eine Tendenzwende im Gange: Die hanseatischen Vereinsjecken von „Rot-Weiß“ müssen mangels Zulauf ihre Feiern vom großen Saal der „Glocke“, ins Hotel Munte verlegen. Die alternativen KarnevalistInnen dagegen verdoppeln sich von Jahr zu Jahr. Aus diesem Wachstums-Trend heraus müssen die Alternativen jetzt ebenfalls das Versammlungslokal wechseln. Die „Schildstraße“ wird in diesem vierten Jahr zu eng, der „Ball der Unmöglichkeiten“ ist in die Räume des „Alten Gymnasiums“ verlegt. Allein auf den zweieinhalbstündigen Umzug vom Marktplatz ins Steintor und zurück haben sich 250 Samba -KarnevalistInnen monatelang aktiv-kreativ vorbereitet, mit insgesamt 500 TeilnehmerInnen wird für den kunstvollen Zug gerech

net. Die Lust, den Samba auf der Straße zu trommeln und die Masken außerhalb der Theaterräume aufzusetzen, steigt unaufhaltsam.

Die Alternativen feierten jedoch nicht am Rosenmontag, sondern sie feiern heute, am Samstag, und zwar ab 16.59 Uhr. „Aber“, und dies werden sie oft gefragt, „ist das nicht ein bißchen verspätet?“ „Nein“, findet der aus der Schweiz eingewanderte Karneval-Liebhaber Gustav Gisiger und kann daraufhinweisen, daß etwa die Basler Fasnacht noch später, nämlich erst am kommenden Montag früh um vier, losgeht.

Bremisch ist der „4. Bremer Karneval“ allerdings nicht. Und dies obwohl einige OrganisatorInnen nach bremischen Bräuchen gesucht haben und auch die Sonderrabatte gewährenden Kaufleute aus der „Interessengemeinschaft

Ostertor“ mitüberlegt hatten: „Wie könnte man das bremisch machen? Vergebens. Deshalb ist der Bremer Alternativ -Karneval eben nicht bremisch, sondern kosmopolitisch ausgefallen und mit Anleihen aus Rio, Venedig ung der Inner -Schweiz gespickt.

Haben die OrganisatorInnen ein schlechtes Gewissen ob dieses Kulturklaus? Dazu Jan Christoph: „Ich findes es beschämend genug, wenn sich einer darüber aufregt, daß hier was importiert wird, wenn doch sonst gar nichts stattfindet.“

Das Eröffnungsritual etwa, das um 16.59 Uhr genau in der Mitte des Marktplatzes steigt, entstammt der Innerschweiz: Die Tänzerin Britta Lieberknecht spielt im Trommelrhythmus im Nußkostüm den „Nüsseler“. Im Umzug der 250 Samstags -KarnevalistInnen gehen und tanzen mit als größte Gruppen: 60 Leute vom Freiraum-Theater, alle in eigens zum „4. Bremer Karneval“ entworfenen Masken, 40 Leute von „Samba Confusao“ in selbstgeschneiderten und selbstgelöteten Kostümen, die eine wahre Augenweide zu sein versprechen. Im Chemielabor des alten Gymnasiums sind die Federboas, spitzen Feenhüte und gewaltigen Kopfputzgestelle in gelb, schwarz und silber bisher zu besichtigen gewesen. Doch nicht nur sie werden für den Samba sorgen. Eine Reihe weiterer Gruppen bis zu den Berliner „Ramba Sambas“ hat sich angekündigt“ - nicht zu vergessen, die BremerInnen, die „Auf Teufel komm raus“ in ihre Saxophone blasen. Der Umzug soll ins „Alte Gymnasium“ führen, wo zur Stärkung Speisen und Getränke gereicht werden, damit um 20 Uhr der Ball beginnen kann. Der Ballsaal ist mit Folien und roten Krähenfüßen dekoriert. Auf zwei Bühnen gibt es außer Samba und Salsa auch bitterböse Lieder und Akrobatik.

Gustav Gisiger kann sich für die Zukunft des Bremer Karnevals noch viel mehr vorstellen: „Daß es zwei Tage ginge und die Kneipen und Restaurants offen hätten.“

Barbara Debus