Frauen wollen kein „Emanzipationseckchen

■ Die Ziele der Frauenpolitik in einer möglichen Koalition von Sozialdemokraten und Alternativer Liste werden noch diskutiert / Alibifunktionen werden von beiden Parteien nicht akzeptiert / Unklar, ob Senatorin oder Staatssekretärin: Wichtig ist das „Eingriffsrecht“

In den Sondierungsgremien, im Geraune und Positionen -Abstecken über eine rot-grüne Koalition fehlte bislang ein Stichwort: die Frauenpolitik. Zwar fiel Anfang der Woche seitens der AL lapidar der Begriff „Quotierung des Senats“, aber dann herrschte wieder Funkstille. Ist Frauenpolitik kein „Thema“ oder wird stillschweigend vorausgesetzt, daß es hier die geringsten Differenzen gibt? Helga Korthaase, frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, hat mit einer möglichen Koalition keine Probleme: „In meinem Bereich sehe ich keine Schwierigkeiten.“ Ein erstes, öffentliches Gespräch mit den AL-Politikerinnen wird es am kommenden Dienstag geben: Da lädt die AL ein zum „Frauen-Ratschlag“.

Helga Korthaase ist aber schon mittendrin in der Arbeit: ihr geht es darum, wie die im SPD-Wahlprogramm vorgesehene „ressortübergreifende Gleichstellungsstelle“ jetzt konkret ausgestaltet wird. Denn: „Eine Alibi-Stelle will ich nicht, dann lassen wir es lieber.“ Prüfen lasse sie zur Zeit, ob dafür die Stelle einer parlamentarischen Staatssekretärin eingerichtet werden kann. Und wie steht sie zu einem eigenen Frauenministerium wie in Schleswig-Holstein, das auch von einigen SPD-Politikerinnen für Berlin gefordert wird? Da will sie sich noch nicht festlegen. Wichtiger als der „Begriff“ sind ihr die Rechte der künftigen Senatsfrauenpolitikerin: Dazu gehört für sie ein eigenständiges Öffentlichkeits- und Rederecht im Parlament, eine Möglichkeit, die die bisherige Frauenbeauftragte nicht wahrnehmen konnte. Für unverzichtbar hält Korthaase weiterhin das „Vetorecht“, das heißt die Möglichkeit, Gesetzesvorhaben und Verwaltungsvorschriften in allen Ressorts anzuhalten, wenn frauenpolitische Belange berührt sind. „Eingriffsfunktion“ nennt sie das, während die inhaltiche Arbeit, die „Erarbeitungsfunktion“, von allen Ressorts zu leisten sei. „Ein Emanzipationseckchen will ich nicht haben, es muß ein Netzwerk sein.“ Und: „Über Personen können wir noch nicht reden.“ Jedenfalls gebe es genügend fachkompetente Frauen in der Stadt, und die hätten ihre „Unterstützung unabhängig vom Parteibuch“.

Auch bei der AL steht die künftige institutionelle und rechtliche Absicherung der Frauenpolitik im Mittelpunkt. Abgeschlossen seien die Diskussionen jedoch noch nicht, wie Sigrid Haase, frauenpolitische Sprecherin der AL, immer wieder betont. Da sind noch die Mitgliederversammlung heute und das Treffen des Frauenbereichs abzuwarten. Aber bis Dienstag, bis zum „Frauenratschlag“, sollen die Forderungen konkretisiert werden. Als zentral zeichnet sich dabei ein „Landes-Antidiskriminierungsgesetz“ ab - nach dem Vorbild des grünen ADG. Aus diesem würde sich auch die Position einer künftigen Frauenbeauftragten ableiten. Sie sollte, wenn es nach den Vorstellungen der AL-Politikerinnen geht, vor allem das Recht haben, wirksam die Vorgaben des ADG zu kontrollieren.

Ein „Landes-Gleichstellungsgesetz“, das die Frauenförderung im öffentlichen Dienst mit dem Ziel einer 50-Prozent-Quote voranbringen soll, will allerdings auch die SPD. Für Korthaase ist es „längst überfällig“.

Weitere inhaltliche Schwerpunkte? Für die SPD-Politikerin ist es vor allem die Erwerbsarbeit. Wobei ihr klar ist, daß „wir nicht im nächsten halben Jahr 50.000 Arbeitsplätze schaffen können“. Dennoch sieht sie eine Fülle von kleinen, aber „richtungsweisenden“ Schritten: So könnten Aufträge nur an die Reinigungsfirmen vergeben werden, die voll abgesichterte Arbeitsplätze bieten und keine 450-Mark-Jobs. Oder: in den Sozialstationen müßten Arbeitsverträge über 19 Stunden wöchentlich verboten werden. Ansonsten sieht sie einen „Riesenkomplex“ an Themen: von Gewalt gegen Frauen über sexistische Werbung bis zur Verbesserung der Situation asylsuchender Frauen.

Als Schwerpunkte bei der AL nennt Sigrid Haase gleichfalls die Gewalt, außerdem die Absicherung der Frauenhäuser oder das Nachttaxi zum BVG-Tarif. Wichtig für die AL-Frauen ist weiterhin der Paragraph 218 und der Komplex „Kinderbetreuung“. „Für jedes Kind ein Kita-Platz zum Nulltarif.“

Von neuen Ideen und mitreißenden Konzepten hört man auf beiden Seiten wenig. Aber vielleicht ist das auch eine Überforderung: „Ich weiß, was ich vorschlage, sind kleine Schritte, aber ich glaube nun einmal daran“, heißt es klar und pragmatisch bei Helga Korthaase, wie es sich für eine Frau gehört, die seit 25 Jahren in der SPD Politik macht. Die AL-Politikerin verweist dagegen auf die „Politikmüdigkeit“ in der Stadt, die nach der Wahl natürlich nicht „einfach weg“ sei. Dennoch hofft sie, daß nun auch von den autonomen Frauen neue Impulse kommen. Wichtig ist ihr, nicht einfach „frauenfreundliche“, sondern „feministische“ Politik zu machen. Was das heißen könnte? „Sich bei jeder Forderung, bei jedem Vorschlag immer wieder zu fragen: Wird damit die Unterdrückung der Frauen tatsächlich angegriffen?“

Helga Lukoschat

Frauen(politischer)-Ratschlag: Ort: Haus der Kirche, Goethestraße 16, 1000 Berlin 12, Zeit: Dienstag, 14. Februar, 19 Uhr