: „Nichts ist so sensibel wie die Wirtschaft“
■ „Perspektive Berlin„-Veranstaltung zu rot-grüner Wirtschafts- und Ausländerpolitik / Reges Interesse und viel Übereinstimmung
Proppevoll wurde das Konservatorium der Hochschule der Künste gestern bei einer Veranstaltung der „Perspektive Berlin“. Sonntag nachmittag hin, kurzfristige Ortsverlegung oder Filmfestfieber her - das Thema Rot-Grün hat Konjunktur. Um die ging's dann auch bzw. um die Frage, ob der Wirtschaft in Berlin bei einem rot-grünen Senat der Niedergang bevorsteht oder ob nicht rot-grün mehr soziale Sicherheit gerade auch für ausländische Mitbürger bringen könnte. Außer einigen versprenkelten AL-Mitgliedern stammten die ZuhörerInnen weitgehend aus sozialdemokratischen Kreisen. Das Podium war mit einem Noch-Senator, Finanzsenator Rexrodt (FDP), mit zwei möglichen Senatoren - Peter Mitzscherling (SPD) und Martin Jänicke (AL) bestückt. Neben der Moderatorin Lea Rosh thronten noch Rolf Kreibich (Perspektive), Ursula y Diaz (SPD Hamburg) und Nizazi Turgay von der türkischen Föderation am Rednertisch.
Rexrodt warnte davor, daß „an der Berlin-Förderung herumlaboriert wird“, oder, wie von der AL vorgeschlagen, die Anspruchsförderung durch Antragsförderung ersetzt werden sollte. Weil doch „nichts so sensibel ist wie die Wirtschaft“, müßten die Rot-Grünen da vorsichtig sein, gab der scheidende Senator den möglichen Koalitionspartnern mit auf den Weg. Daß bei Rot-Grün die wirtschaftliche Katastrophe in der Stadt ausbrechen würde, daran mochte aber selbst Rexrodt doch nicht glauben.
Was die Wichtigkeit der Wirtschaft betrifft, waren sich die Parteienvertreter einig. Selbst Martin Jänicke fand den „Begriff des Investitionsklimas sehr wichtig“. Durch knappe Mehrheiten könne man nicht einfach die Wirtschaftspolitik verändern. Und der Wirtschaftssenator aus Mompers Schattenkabinett, Mitzscherling erklärte deutlich in Richtung AL, daß über eine Kürzung der Arbeitnehmerzulage mit der SPD nicht zu reden sei. Denn: „Wir brauchen qualifizierte Fachkräfte.“ Nicht viel anders als der amtierende Schwarz-Blau-Gelbe Senat plädierte der SPD -Bundestagsabgeordnete dafür, aus dem „geopolitischen Nachteil der Stadt einen Vorteil zu machen“, sprich, mehr auf den Ost-West-Handel zu setzen. Er machte keinen Hehl daraus, daß er einen SPD/AL-Senat auf jeden Fall einer großen Koalitionslösung vorziehe.
Waren die Redebeiträge, solange es um die Wirtschaft ging, noch sachlich-differenziert, so wurde sie polemisch, als es um die AusländerInnen ging. Martin Jänicke sprach von der „hündischen Ausländerfreundlichkeit gegenüber den Alliierten“, die man lieber den Türken gegenüber an den Tag legen sollte, meinte aber gleichzeitig, eigentlich seien die AussiedlerInnen schuld, wenn Ausländerfeindlichkeit geschürt werde. Schließlich nähmen sie die Wohnungen weg.
Die Verbindung der beiden Themenkomplexe Ausländer- und Wirtschaftspolitik schimmerte zwar durch die Reden durch, wurde aber nie so richtig auf den Punkt gebracht, trotz der Moderatorin beharrliches Fragen, ob denn nun die „Türken uns die Arbeitsplätze wegnehmen“. Bei der Qualifikation- und Arbeitsmarktstruktur in Berlin, so die allgemeine Auffassung, seien es nun mal die schlechtqualifizierten ArbeitnehmerInnen, die auf der Strecke bleiben. Also müsse eine Politik versucht werden, die z.B. den Facharbeitermangel behebt und damit „allen BerlinerInnen“ diene.
RiHe
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