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SPD: Große Koaltion nur der letzte Ausweg

■ Gestern abend begannen die Koalitionsverhandlungen zwischen der SPD und der AL / SPD-Landesvorstand setzt weiter auf die AL, um eine „neue Politik“ durchzusetzen / CDU wettert gegen „linksextreme Ecke“, „roten Filz“ und spricht von „Machtergreifungsstrategie“

Gestern abend, dummerweise erst nach Redaktionsschluß der taz, begannen die ersten „richtigen“ Koalitionsgespräche zwischen der Al und der SPD. Auf der Tagesordnung standen gestern zunächst organisatorische Fragen, wie die zusammensetzung der Fachkommissionen für die einzelnen politischen Themen. Bereits vor den Verhandlungen hatte der SPD-Landesvorstand getagt. Seiner Ansicht nach kann eine Große Koalition von CDU und SPD in Berlin zur Regierungsbildung aus Gründen einer funktionierenden Demokratie „immer nur der letzte Ausweg sein“. Der SPD -Landesvorstand forderte am Montag die von ihm eingesetzte Verhandlungskommission unter der Leitung des Landesvorsitzenden Walter Momper auf, weiterhin ernsthaft sowohl mit der CDU als auch mit der AL über die Bildung eines neuen Senats mit dem Ziel zu verhandeln, eine „neue Politik“ durchzusetzen.

In dem Beschluß wird der CDU vorgehalten, nach ihrer Wahlniederlage am 29. Januar nach wie vor den Eindruck zu erwecken, ihre Politik sei erfolgreich gewesen, und es sei möglich, diese Politik mit einigen wenigen Korrekturen fortzusetzen. Die CDU habe nicht erkennen lassen, daß sie in wichtigen Feldern der Berliner Politik zu einer Umkehr bereit sei.

Der Landesvorstand begrüßte den Beschluß der AL -Mitgliederversammlung, Verhandlungen mit der SPD mit dem Ziel einer Koalitionsbildung aufzunehmen. Zugleich forderte er die AL auf, die Verhandlungen „nicht mit zuvielen Details zu befrachten“. Auch sie müsse die Verhandlungen mit dem Ziel führen, eine klare politische Vereinbarung über realisierbare Schwerpunkte zu erreichen.

Der SPD-Landesvorstand bekräftigte die sogenannten Essentials für eine Zusammenarbeit mit der AL. Die SPD könne nur gemeinsam mit einem Partner Verantwortung übernehmen, der die Präsenz der Alliierten in Berlin anerkennt, die Rechtseinheit mit dem Bundesgebiet wahrt und das staatliche Gewaltmonopol nicht in Frage stellt. Darüberhinaus müßten „Verläßlichkeit und Berechenbarkeit“ Grundlage einer politischen Zusammenarbeit sein.

Der mögliche künftige Regierende Momper sagte: „Die Stunde der Wahrheit kommt für die AL dann, wenn über das Ergebnis der Koaltionsverhandlungen abgestimmt werden muß. Dann wird sich herausstellen, wie stark die realpolitischen Gruppen in der AL wirklich sind.“

CDU schlägt zu

Seit sich die AL auf rot-grün einstimmt, wettert die CDU verstärkt gegen eine mögliche SPD/AL Koalition, während sie gleichzeitig die Bereitschaft erklärt, ein Angebot der SPD anzunehmen, das diese allerdings nie gemacht hatt: In einem Interview der „Bild am Sonntag“ mit dem amtierenden Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) war zu lesen, daß die SPD der CDU in der Verhandlungskommission vorgeschlagen habe, eine Große Koalition für zwei Jahre einzugehen und danach Neuwahlen anzustreben. Eberhard Diepgen hielt diesen Vorschlag für „überlegenswert“. SPD -Chef Walter Momper dementierte gestern nicht nur seine angeblichen Vorschläge, sondern die Worte von Eberhard Diepgen gleich mit. Die Zeitung habe falsch zitiert. Die „Bild“ beteuerte dagegen, sie habe die Diepgen- Äußerungen auf Tonband festgehalten und sie außerdem „Wort für Wort“ von Senatssprecher Fest autorisieren lassen.

Dafür, daß das Klima zwischen den beiden größten Parteien sich gestern wieder merklich verschlecherte, sorgten auch die CDU-Parteizeitung „Berliner Rundschau“ und der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Bundestag, Rudolf Seiters. Der Mann aus Bonn schimpfte auf die Berliner Sozialdemokraten, die „in die linksextreme Ecke“ schielten und drückte sein Entsetzen davor aus, daß im Berliner Senat „ein wegen Unterstützung krimineller Vereinigung Vorbestrafter Senator für Inneres oder Justiz“ werden könne, malte sich einen Hausbesetzer und einen „Aktivisten gegen die Volkszählung“ als Senatoren aus.

Die „Berliner Rundschau“ fuhr schweres verbales Geschütz auf. Sie verglich die Unteschriftensammlung sozialdemokratischer Polizisten gegen die Republikaner mit Abstimmungen zu Stalins Zeiten und warf der SPD „roten Filz“ und „Griff nach den Posten“ vor. CDU-Landesgeschäftsführer Wienhold setzte noch eins drauf. Er sprach von einem „Weg zu einer Machtergreifungsstrategie in einer bisher nicht gekannten Qualität“.

Die SPD reagierte scharf auf die Anwürfe. Landesgeschäftsführer Kremendahl forderte die CDU auf, sich vor dem nächsten Gespräch am Donnerstag für solche Äußerungen zu entschuldigen.

Rihe/dpa

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