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SPRUNG IN DIE ZUKUNFT

■ Unterstützung der Tanz Initiative durch die AL

Die Tanz Initiative Berlin hat Bündnispartner gefunden: die AL (Kulturbereich) will ihre Forderungen unterstützen. Vor zwei Wochen lud die AL, vertreten durch Sabine Weißler, der zukünftigen kulturpolitischen Sprecherin, zu einem Gespräch „Berlin auf Spitze“ ein. (Der Titel beweist, daß sich die die AL noch nicht sonderlich intensiv mit dem Thema beschäftigt hatte, denn der Spitzenschuh gilt immer noch als Markenzeichen des Balletts.) Es kamen Leanore Ickstadt und Georg Kempter von der Tanz Initiative Berlin, Nele Härtling

-Leiterin des Hebbeltheaters und kompetente Beraterin in Sachen Tanz. Auf den Pelz rückte man dem Dekan des Fachbereiches Darstellende Kunst der HdK, Moritz Milar; die HdK hat bisher ihre Möglichkeiten, Stellen für den Tanz einzurichten, nicht genutzt und führt die Sparte Tanzausbildung als Aktenleiche. Die AL will nun mit der Tanz Initiative öffentlichen Druck auf die HdK ausüben, um sie aus ihrem Schlaf zu wecken.

Weiterhin geht es um eine Berücksichtigung der Tanzausbildung durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz. Der teilweise elitäre Ruf des Tanzes rührt nicht zuletzt aus dem sozialen Umstand her, daß Ballett- oder Modern-Dance -Kurse zu besuchen, oft eine Freizeitbeschäftigung sozial Privilegierter ist.

Die Tanz Initiative arbeitet noch an der Konzeption eines Tanzhauses und Choreographischen Zentrums, die bis jetzt bewußt sehr offen formuliert wird. Das Haus soll drei Ebenen umfassen: die Ausbildung, die Realisation von Tanzprojekten durch freie Tanzkompagnien, den internationalen Austausch. Der Forderung nach der Einrichtung eines Choreographischen Zentrums schließt sich die AL an.

Schließlich geht es um die Anerkennung des Tanzes als eigenständige Kunst. Dies ist die Voraussetzung, um für den Tanz in der kulturellen Förderung einen eigenen Topf einzurichten und ihn nicht mit den Resten aus fremden Töpfen abzuspeisen. Die mangelnde Anerkennnug des Tanzes beruht auf einer Unterschätzung seiner Bedeutung; in Analogie zum Ballett gilt er oft als bloß schöne Ergänzung, Illustration und Unterhaltung. Theorien über den Tanz als autonomes Genre, die nicht den Anachronismus des 19. Jahrhunderts folgen,, scheinen eine Geheimwissenschaft. Anders als der bildenden Kunst, der Literatur, dem Film und dem Theater wird ihm kaum gesellschaftliche Relevanz zugesprochen. Tanz ist ein reflexives Medium, das von unseren Befindlichkeiten als Menschen, von den Bedingungen, unter denen wir leben, von den Möglichkeiten unserer Erfahrungen und Wahrnehmungen handelt. Ich denke, daß die Bedeutung des Tanzes als Registratur dessen, was mit unseren Körpern und Sinnen geschieht, als Utopie vom aus vielen Zwängen entlassenen Körper und als erinnernde, sich gegen Veränderung sperrende Kunst, die bewahrt, was im Alltag verlorengeht, heute immer wichtiger wird.

Bisher scheint es Aufgabe des Sportes, der als ökonomischer Faktor und in medialer Präsenz dem Tanz weit überlegen ist, der Gesellschaft ein Korrektiv für den im Alltag verkümmernden Körper anzubieten. Doch der in der Produktion überflüssig gewordene Körper (lese wohl nich richtich. mag sein, daß die anzahl der direkt körperbeanspruchenden tätigkeiten bzw. berufe abgenommen hat, aber die masse der im beruf wg. überbeanspruchung verkrüppelten ist doch wohl noch groß genug. sezza) sollte nicht nur dem Konsum, dem Sex, dem leistungsorientierten Sport und der Medizin überlassen werden. Deshalb ist die Förderung der Tanzkultur keine bloß ästhetische Bereicherung, sondern eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Im Tanz liegt nicht nur ein Kunst, sondern zugleich eine Wissenschaft von unseren Körpern, die immer mehr gefordert werden wird. Auch die Problematik von Gesundheit und Krankheit, ihren gefährlichen Abgrenzungen und ideologischen Besetzungen, wird im Tanz zum Thema. Tanz revoltiert gegen die Normierung.

KBM

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