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SPD-Frauenpolitik in der Praxis: Weddinger Bezirksbürgermeister Spiller verhindert kritischen Bericht "seiner" Frauenbeauftragten Monika Weynert/Frauen wollen aber keine "Alibi"-Beauftragten

Ein frauenfreundliches (Wahl-) Programm ist eine Sache eine andere das Verhalten der Parteimänner. Im Konflikt um die Weddinger Frauenbeauftragte Monika Weynert bot SPD -Bürgermeister Jörg Spiller Anschauungsunterricht über die Betonfraktion unter den Genossen. Am Montag abend hatten Weddinger Frauenprojekte zur Diskussion über die künftige Arbeit der Frauenbeauftragten eingeladen. Ergebnis der von rund hundert Frauen und ein paar Männern besuchten Veranstaltung: Wenn es nach Spiller geht, soll sich die Frauenbeauftragte im Wedding weiterhin als rechtlose Sozialarbeiterin betätigen.

Zum Eklat zwischen der Exfrauenbeauftragten Monika Weynert und Spiller war es Ende letzten Jahres gekommen. Spiller hatte es abgelehnt, ihren Tätigkeitsbericht unverändert zu veröffentlichen. Die Frauenbeauftragte hatte darin unter anderem die Praxis des Sozialamtes kritisiert und damit in den Augen des Bürgermeisters ihre Kompetenzen überschritten. Weiterer Konfliktpunkt: In dem von Monika Weynert initiierten bezirklichen „Frauenbeirat“ sollte sie nach Spillers Willen selbst als stimmberechtigtes Mitglied ausgeschlossen sein. Unter diesen Bedingungen aber wollte Monika Weynert nicht mehr weiterarbeiten. Nach anderthalbjähriger Tätigkeit lehnte sie die ihr angebotene Planstelle zum Januar '89 ab.

Von der Kritik an seinem Vorgehen, die parteienübergreifend von allen Frauen auf dem Podium formuliert wurde, zeigte sich Spiller unbeeindruckt. Kategorisch erklärte er, daß der Tätigkeitsbericht in seiner jetzigen Form nicht veröffentlicht werde. Er enthalte „Verkürzungen“ und „Irreführungen“. Auch die Mitgliedschaft im „Frauenbeirat“ komme nicht in Frage: Die Frauenbeauftragte sei als Angestellte des Bezirksamtes nicht unabhängig und komme auf Grund ihrer Position zwangsläufig in Konflikte. Auch ein eigenständiges Öffentlichkeitsrecht wird es mit dem SPD-Mann nicht geben: Nur „mitunter“, so erklärte er paternalistisch, dürfe die Frauenbeauftragte mit ihren Belangen in die Öffentlichkeit.

Wichtigste Eigenschaft ist nach Ansicht Spillers die „Kollegialität“: „Eine Frauenbeauftragte muß einen kurzen Draht zu den Ämtern haben, um in Einzelfällen schnell zu helfen“. Anstatt „Schmutzkampagnen“ gegen die Verwaltung zu führen, solle sie lieber „praktische Arbeit“ leisten. Das brachte nicht nur eine Vertreterin der Weddinger Frauenprojekte in Rage: Spiller wolle eine „händchenhaltende Sozialarbeiterin“, machte Ulla Bachor vom Weddinger Mädchenladen ihrem Unmut Luft. Er habe nicht begriffen, daß eine Frauenbeauftragte für die Frauen des Bezirks da sei und nicht für das Bezirksamt zur Konfliktschlichtung.

Auf die grundsätzliche Problematik der bezirklichen Frauenbeauftragten wurden an diesem Abend von vielen Seiten verwiesen. Die Politologin Sabine Berkhan erinnerte daran, daß die Frauenbeauftragten 1987 vom CDU/FDP-Senat als rechtlose „Klagemauer“ eingerichtet worden wären. Allen fehle ein eigenständiges Öffentlichkeitsrecht, ausreichende personelle und finanzielle Ausstattung, alle seien vom Goodwill ihres jeweiligen Vorgesetzten abhängig. Für die Al -Politikerin Ellen Hilf war am Ende des Abends klar: die Stelle der Weddinger Frauenbeauftragten sollte boykottiert werden. In dieser Form sei sie keiner Frau „zumutbar“.

Allein Schöneberg hat auf Initiative von SPD- und AL-Frauen ausdrücklich auf die „Alibistelle“ der Frauenbeauftragten verzichtet. Nach dem „Fall Monika Weynert“ ist es deutlicher denn je: Eine der ersten Aufgaben in einem möglicherweise rot-grünen Senat muß sein, den bezirklichen Frauenbeauftragten endlich zu einem politischen Amt mit effektiven Kompetenzen, Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten zu verhelfen.

Helga Lukoschat

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