AL schließt erweiterte Müllverbrennung nicht aus

■ Die geplante neue Hausmüllverbrennungsanlage ist zwar gestorben, schätzen Eingeweihte / Der Müllberg wächst trotzdem weiter, klagt die BSR / SPD und AL schließen neuen Verbrennungskessel in Ruhleben nicht aus / Verbrennt sich die AL am Müll nun die Finger?

Ein umstrittenes Großprojekt des CDU/FDP-Senats ist vielleicht jetzt schon gestorben: die geplante, neue Hausmüllverbrennungsanlage (MVA). Eigentlich wollte der Senat jetzt, nach den Wahlen, die Entscheidung treffen, ob die Anlage in Britz oder in der DDR gebaut werden soll. Das wird er zur Zeit tunlichst unterlassen. Eine derartige Entscheidung kann sich vorerst keiner mehr leisten, schätzt ein Mitarbeiter der Firma Berlin Consult (BC), die in der Angelegenheit die Gespräche mit der DDR führt: „Da wird sich die neue Regierung nicht die Finger verbrennen.“ Heißes Interesse an der Müllverbrennung herrscht dagegen weiterhin bei der Berliner Stadtreinigung (BSR): „Das Thema brennt uns unter den Nägeln“, erklärt Georg Fischer, der technische Geschäftsleiter der BSR. Bleibt Fischer auf seinem Müllberg sitzen? Oder verbrennt sich nun ein rot-grüner Senat, nach hessischem Vorbild, am Müll die Finger?

SPD und AL lehnen die neue MVA ab; sie setzen auf Müllvermeidung und Recycling. SPD-Schattensenator Meisner erklärt die Abfallwirtschaft ebenso zum Arbeitsschwerpunkt eines neuen Umweltsenators, wie die Umweltexperten der AL. BSR-Chef Fischer „kann nur wünschen, daß eine neue Regierung so schnell mit uns spricht, wie möglich“. „Wir können was tun“, versichert der BSR-Chef, „wir haben jede Menge Ideen“. Daß endlich etwas geschehen muß, weiß auch die BSR. 1,3 Millionen Tonnen Hausmüll werden jährlich in der alten MVA in Ruhleben verbrannt und auf DDR-Deponien gefahren; pro Jahr steigt diese Menge um zwei bis drei Prozent.

AL-Müllexperte Thomas Schwilling hätte da einige Vorschläge. Er möchte das Beschaffungswesen des öffentlichen Dienstes in Berlin auf Mehrwegartikel umpolen. In den Mensen der Universitäten will Schwilling kein Wegwerfgeschirr mehr sehen. Nachdenken müßte ein neuer Senat nach AL-Auffassung auch über ein Landesabfallgesetz, in dem beispielsweise eine Verpackungssteuer erhoben wird. „Flächendeckend“ müßte sodann der Hausmüll getrennt eingesammelt werden, fährt Schwilling fort. Nicht nur für Papier und Glas will die AL getrennte Container aufstellen, sondern auch für organische Hausabfälle.

„Alles richtige Wege“, findet BSR-Chef Fischer. Nur beim Subventionsgedanken erhebt er Einwände. Er fürchtet den Protest westdeutscher Gemeinden, falls Berlin mit billigem Altpapier oder -glas andere Altstoffanbieter vom Markt verdrängt. Würde der Stadtreinigung die von der FDP auferlegte Verpflichtung genommen, auch beim Recycling kostendeckend zu arbeiten, könnte jedoch die BSR selbst etwas zuschießen, versichert Fischer. Nicht glauben mag der BSR-Chef allerdings, daß der jährlich anfallende Müllberg wirklich abschmilzt.

Auch wenn SPD und AL da etwas optimistischer sind, bereiten sich beide jetzt schon auf den Verlust ihrer Unschuld vor. Norbert Meisner hatte schon in der zweiten Gesprächsrunde mit der AL angekündigt, „vielleicht“ sei ein zusätzlicher Kessel in der MVA Ruhleben nötig. Widerstand von der AL habe er dort nicht vernommen, berichtete Meisner der taz. Im Gegenteil: Auch AL-Experte Schwilling schließt den Bau eines neuen Kessels in Ruhleben nicht aus, falls andere Wege nicht helfen. Das sei, so Schwilling zur taz, „besser als eine Deponie in der DDR“. Spontane Reaktion einer Mitarbeiterin des Instituts für ökologisches Recycling (IföR): „Das ist eine Unverschämtheit.“ Das IföR hatte 1987 im Auftrag der AL ein alternatives Abfallkonzept vorgelegt - ohne zusätzliche Müllverbrennung. Bis 1995 der Müllvertrag mit der DDR ausläuft, könnte die Müllmenge laut IföR um die Hälfte reduziert werden; dann würde die MVA Ruhleben ausreichen. „Die AL ist gefordert, alles dafür zu tun, daß das umgesetzt wird“, meinte die IföR-Mitarbeiterin gestern. Zur Not sei eine neue, sichere Deponie in der DDR immer noch besser als ein zusätzlicher Verbrennungskessel.

Manche IföR-Ideen lassen sich allerdings nur in Bonn durchsetzen; ein Verbot von Einwegpackungen beispielsweise. Und von anderen Plänen nimmt mittlerweile die AL selbst vorerst Abstand: Eine Vergabe von Berlinförderungs-Geldern nach ökologischen Kriterien, wie sie das IföR „auf jeden Fall“ fordert, wird die AL in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD nicht durchsetzen können.

Hmt