Wenn Amerika Krieg führt, regnet es Dollars in Olongapo

■ Der US-Marinestützpunkt „Subic“ hat die philippinische Stadt Olongapo zu einem großen Puff gemacht / Trotz des Prostitutionsverbotes verdient auch die philippinische Verwaltung an den Clubs / Präsidentin Aquino verhandelt mit den USA über eine Verlängerung des Stützpunktvertrages

Karl Rössel

Die größten US-Militärstützpunkte außerhalb der Vereinigten Staaten befinden sich nicht in Europa, sondern auf den Philippinen. Für 481 Millionen Dollar pro Jahr dürfen auf philippinischem Territorium unbeschränkt US -Bomber starten und landen und US-Kriegsschiffe vor Anker gehen. 1991 läuft allerdings der noch geltende Stützpunktvertrag zwischen den USA und der philippinischen Regierung aus. Die philippinische Präsidentin Corazon Aquino pokert um mehr Nutzung der Basen nach 1991. Kirchengruppen, Gewerkschaften und Bauernverbände des Landes sowie die im Untergrund operierende Befreiungsbewegung NPA (New People's Army) fordern dagegen den Abzug der US-Militärs, weil „die Souveränität des Landes untergraben“ werde und die Basen zudem schwere soziale Folgen für den Inselstaat mit sich bringen.

„Olongapo“ steht in großen, roten Lettern auf dem Schild neben dem Fahrersitz. Nach vierstündiger Fahrt von Manila aus in Richtung Norden windet sich der alte, klapprige Bus langsam auf steil ansteigenden Straßen durch die Berge vor der philippinischen Westküste. Auf der Paßhöhe bremst der Fahrer plötzlich. Philippinische Militärs blockieren die Straße. Sie halten Maschinengewehre im Anschlag, US-Gewehre. „Nur zu Ihrer Sicherheit“, erklärt der Soldat, der schwer bewaffnet durch den Bus geht und die Pässe kontrolliert. „Damit Ihnen dort unten nichts passiert.“

Happy Valley

Dort unten - jenseits der Paßhöhe - glänzt das südchinesische Meer, davor ist eine von Bergen umgebene weite Bucht zu sehen. Im Tal liegt eine Stadt. Sie erscheint aus der Ferne wie ein dichtes wucherndes, dunkelgraues Geschwür aus Gassen, Betonbauten und Hütten. Dagegen heben sich deutlich die hellen, weitläufigen modernen Anlagen ab, die sich rund um die gesamte Bucht bis weit an den Horizont erstrecken: Ich erkenne breite, asphaltierte Straßen und sauber weiß gestrichene mehrstöckige Bürogebäude, große Lagerhallen und riesige Docks, Hubschrauber-Landeplätze und gigantische Schiffskräne, ein Kraftwerk und hohe Radarantennen. Das muß die „Subic Naval Base“ sein, der Stützpunkt der US-Pazifikflotte auf den Philippinen. Im Hafen liegen graue Schiffe, Kriegsschiffe. Von der Paßhöhe wirken sie wie Spielzeugboote. Von der langen Rollbahn am Ufer startet gerade ein Spielzeugbomber. Das riesige Militärgelände rund um die Bucht erscheint von der Stadt Olongapo wie abgeschnitten. Der Marine-Stützpunkt ist von einem Kanal umgeben. Nur eine Brücke verbindet die „Subic Naval Base“ mit der Viertelmillionen-Stadt Olongapo.

White House

Über die zentrale Brücke und durch das „gate“, das große Eingangstor der US-Base, strömen jeden Abend tausende US -Soldaten nach Olongapo. Sie tauchen ein in ein aufdringliches Gemisch aus Neonreklamen und Plastikgirlanden, Werbespots und Musikfetzen, die aus Dutzenden Eingängen gleichzeitig dröhnen. Das ist der Magsaysay-Drive, die Hauptstraße Olongapos, die am „gate“ beginnt. Die meisten Fassaden der ein- bis zweistöckigen Betonbauten auf beiden Seiten der Straße sind abgeblättert und grau. Nur die gemalten oder neonbeleuchteten Namensschilder glitzern noch über den Eingangstüren: „Sundance Club“, „Kyoto Massage and Sauna Bath“, „Sam's Hotel“, „White House“, „Burger King“, „Happy Valley“... Vor vielen dieser Bars stehen frisch gemalte Schilder: „Welcome US Tripoli.“ „Welcome US-Ship Duluth, Durham, Frederick, Germantown.“ So heißen die Kriegsschiffe, die gerade im Hafen liegen. Auf manchen Schildern steht: „We love you.“

Vor jedem Club-Eingang stehen, sitzen, tanzen, werben Frauen, hunderte, tausende Philippinas in Miniröcken, Tangas, Hot-Pans oder Bikinis. Zu zweit, zu dritt oder zu viert umringen die zierlichen Philippinas die breitschultrigen Marines. Die Frauen rufen „Hallo Sir!“ und haken sich bei den Soldaten unter. Sie flüstern „Come in, Sir!“ und bieten Massagen und Saunabäder. Sie sagen „Very cheap, Sir!“ und versuchen, die GIs in die Clubs zu ziehen.

In vielen kleinen Geschäften hängen bedruckte Mützen, Hemden und T-Shirts. Die Aufdrucke verweisen auf den Geschmack der potentiellen Käufer. Es sind vor allem Kriegsschiffe und militärische Symbole. Ein T-Shirt zeigt eine Atomrakete. „Ein Liebesgruß für Moskau“ steht darauf. Auf einem Hemd ist Gaddafi im Fadenkreuz abgebildet, darunter der Kommentar: „Das Ziel nie aus den Augen verlieren.“ Auf dem Shirt daneben der Spruch: „Leben, wie's geht, lieben wie's kommt, töten als Beruf.“

Sam's Place

Die Basen der US-Militärs auf den Philippinen sind die größten außerhalb der Vereinigten Staaten und die wichtigsten im pazifischen Raum und in ganz Asien. Allein der Luftwaffen-Stützpunkt „Clark Air Base“ bei Angeles City, zwei Fahrstunden östlich von Olongapo, hat die Größe West -Berlins. Bis zu 800 Flugzeuge können dort gleichzeitig repariert werden, und monatlich gibt es 12.000 Start- und Landemanöver von Transportflugzeugen und Jagdbombern - mit und ohne Atomwaffen an Bord. 20.000 US-Militärs sind insgesamt auf den philippinischen Basen fest stationiert, und 70.000 Philippinos sind dort beschäftigt. Das US-Militär ist nach der philippinischen Regierung damit der zweitgrößte Arbeitgeber im ganzen Land. Die meisten Philippinos, knapp 40.000, arbeiten für die „Subic Naval Base“ bei Olongapo. Die US-Marine unterhält hier das größte schwimmende Trockendock in ganz Asien und das größte Marinedepot außerhalb der USA. 200.000 Einzelteile, vor allem Waffen aller Art, lagern dort. In Subic können Kriegsschiffe jeder Größe repariert und gewartet werden.

Doch nicht nur diese gigantischen militärtechnischen Anlagen machen den Standort Subic für die US-Navy so „unverzichtbar“. Hinzu kommen - so der offizielle US-Jargon

-die „preiswerten Rest- und Recreation-Möglichkeiten“ für die Soldaten in der Stadt Olongapo, sprich: die 20.000 Frauen, die in den 300 Clubs rund um den Magsaysay-Drive arbeiten. Die philippinischen Arbeiter drinnen auf der Base warten die Kriegsschiffe der USA, die Philippinas draußen die Krieger.

Imperial Club

Um zehn Uhr morgens bin ich als Besucher auf der US-Base angemeldet. Um zehn Uhr „American time“, nicht „Philippino time“. „American time“, das heißt auf den Philippinen: ich muß pünktlich sein. Auf einem großen Schild neben dem Eingangstor des Marine-Stützpunktes steht: „This is a Philippino base.“ - „Dies ist ein philippinischer Stützpunkt. Bitte beachten Sie die philippinischen Gesetze!“

Doch für die „Betreuung“ ausländischer Journalisten ist kein Philippino zuständig, sondern die Presseabteilung des US-Oberkommandos, konkret: Kapitänleutnant J.D. van Sickle. Der uniformierte Pressesprecher entrollt neben seinem Schreibtisch eine große Weltkarte, um mir daran die Bedeutung der US-Stützpunkte auf den Philippinen zu erklären: „Die Verantwortlichkeit der 7.Flotte reicht vom Pazifik bis zur Ostküste Afrikas und von Pol zu Pol. Unser Hauptinteresse innerhalb dieses großen geographischen Gebietes sind die Schiffahrtslinien von der Arabischen See zum Japanischen Meer und von dort natürlich zu den Vereinigten Staaten. Ein großer Teil des Handelsverkehrs folgt diesen Seewegen.“

Schon 1983 hatte Robert L.Long, der damalige Oberkommandierende der US-amerikanischen Streitkräfte im Pazifik, vor dem außenpolitischen Ausschuß des US-Kongresses gesagt: „Unser Handel mit der Pazifikregion hat den mit jeder anderen Region übertroffen. Diese Region ist eine bedeutende Bezugsquelle für gefährdete Rohstoffe wie Öl, Erze und Kautschuk, um nur einige wenige zu nennen. Unsere Streitkräfte auf den Philippinen sind zudem ein lebenswichtiges Bindeglied in unserer Vorwärtsverteidigung.“

Wenn Militärs „Vorwärtsverteidigung“ sagen, meinen sie Krieg. Die Philippinen bekamen dies als erste zu spüren: Ende des 19.Jahrhunderts verschacherte Spanien nach über 300 Jahren Kolonialherrschaft das Land der 7.000 Inseln für 20 Millionen Dollar an die USA. Die spanischen Kolonialherren hatten die philippinischen Aufständischen, die für die Unabhängigkeit ihres Landes Kämpften, nicht mehr kontrollieren können. Die neuen Herren aus den USA zerschlugen die Erhebung brutal. „Morden, plündern, niederbrennen“, hieß ein Tagesbefehl des US-Kommandanten Jacob Smith zu Beginn dieses Jahrhunderts, und 250.000 bis 500.000 aufständische Philippinos starben.

Schon damals übernahmen die US-Militärs von den Spaniern auch den Marine-Stützpunkt in der Bucht von Olongapo. 80 Kilometer östlich beschlagnahmten sie weitere 53.000 Hektar Land für ihre Kavallerie. Dort ist heute die „Clark Air Base“ der US-Luftwaffe. Von Anfang an dienten diese Basen der US-Regierung nicht nur zur Kontrolle der philippinischen Innenpolitik, sondern auch als Ausgangspunkt für Kriegseinsätze in ganz Asien: 1900 gegen den Boxeraufstand in China, 1918 bis 1920 gegen die neugegründete Sowjetunion, 1950 bis 1952 im Koreakrieg, 1965 bis 1975 im Vietnamkrieg, 1971 im indisch-pakistanischen Krieg, 1980 im Iran...

Golden Nugget Club

„Erst während des Vietnamkrieges Mitte der sechziger Jahre wuchs Olongapo vom Fischerdorf zur Großstadt“, erzählt mir Jimmy Mendoza, der 1966 als einer von zehntausenden Philippinos auf der Base Arbeit fand. „Vor allem im Nachschublager gab es damals für uns viel zu tun. Schließlich kam die meiste Munition für den Vietnamkrieg über Subic, von 20-Millimeter-Maschinengewehrpatronen bis zu 2.000 Pfund schweren Bomben.“ Als Kriegsgegner quittierte Mendoza seinen Job auf der Base, studierte und wurde später Stadtplaner von Olongapo. Er erinnert sich an diese Zeit: „Olongapo wurde zum wichtigsten Erholungszentrum der US -Soldaten, die im Vietnamkrieg eingesetzt waren. Damals entstanden all die Bars und Hotels. Der Vietnamkrieg war für Olongapo so etwas wie der Goldrausch für den Wilden Westen. Damals - sagte man - regnete es in Olongapo Dollars.“

Doch die GIs brachten der Stadt nicht nur Dollars, sondern auch den Drogenhandel und die Apartheid bis in die Puffs: „Der Vergnügungssektor der Stadt war damals noch streng in zwei Bezirke geteilt“, erzählt Jimmy Mendoza, „die Hauptstraße, der Magsaysay-Drive, war den weißen Soldaten vorbehalten. Für die schwarzen Sodaten gab es eine Nebenstraße, die 'Dschungel‘ oder 'Schokoladenplatz‘ genannt wurde. Wagte sich ein Schwarzer in den Bereich der Weißen, gab es Ärger. Ich habe oft selbst beobachtet, wie die Schwarzen Rasierklingen als Waffen einsetzten und damit ihren weißen Gegnern die Gesichtern zerschnitten.“

In Olongapo - so berichtet Jimmy Mendoza weiter - gäbe es trotzdem bis heute viele, die sich nach der Zeit des Vietnamkrieges zurücksehnten: „Die Geschäftsleute haben sich an Kriegszeiten gewöhnt. Sie beschweren sich, wenn kein Krieg stattfindet, denn dann gehen die Geschäfte schlecht. Olongapo ist eine verrückte Stadt: hier zählen die Geschäftemacher, die durch organisierte Prostitution reich wurden, zu den besonders angesehenen Bürgern. Sie stellen die Präsidenten aller möglichen Vereine vom Lyons- bis zum Rotary-Club. Selbst die Kirche hat sich arrangiert, weil ihr die Club-Besitzer am meisten spenden.

Arriola's

Ilfonso O.Arriola war bis vor kurzem Bürgermeister von Olongapo. 28 Jahre lang habe er selbst auch für die US-Base gearbeitet, erzählt der ältere Herr stolz. Sein Fazit: „Ich habe den 'American way‘ gelernt. Wir lieben die Amerikaner. Wir haben viele Bräuche von den Amerikanern übernommen, ihre Tänze, die Discos, halt die Art, wie die Amerikaner leben.“ Natürlich gebe es in einer Navy-Stadt auch mal Schlägereien, mal Geschrei und Getöse auf den Straßen. „Aber das ist eben unser 'way of live‘. Das ist Demokratie! Deshalb mag ich diese Stadt“, sagt Exbürgermeister Arriola. „Jeder kann Dir sagen: Fahr zur Hölle. Ganz anders als in den kommunistischen Ländern, wo Du nicht einmal sagen darfst, was Du willst.“ Natürlich gebe es auch schon mal ein paar Überfälle und Drogenhandel. Aber all das sei nicht subversiv, habe nichts mit Ideologien zu tun.

Arriola weiß „natürlich“, daß das Prostitutionsgeschäft, von dem seine Stadt lebt, im Land der katholischen Präsidentin Cory Aquino verboten ist. „Aber die Schwierigkeit ist“, so der ehemaligen Bürgermeister, „sie jemandem nachzuweisen. Wir können ja nicht einfach in die Hotelzimmer einbrechen. Allerdings genügte dafür auch schon ein Blick in ein Haus von Arriola in der Rizal-Avenue unweit vom Rathaus. Denn darin befindet sich der Club „Juanito's“, der größte Puff für Homosexuelle in Olongapo. Im Schaufenster hängen Fotos von nackten Männern: „Siegfried“, „Ferdie“ und „Raffy“. Daneben wirbt ein Plakat für die „Macho-Dancers“ aus Manila. Bis zur Kommunalwahl hieß dieser Club noch offen so wie sein Besitzer: „Arriola's.“ Er beteiligte sich am „Unterhaltungsgeschäft“, erklärt Arriola, um seine karge US-Pension „etwas aufzubessern“, und augenzwinkernd fügt er hinzu: „Aber ich kann Ihnen versichern, daß unsere Clubs hier in Olongapo schön und freundlich sind und außerdem viel größer als die in Manila. Schließlich müssen Sie sich vorstellen, daß manchmal an einem Tag 7.500 bis 10.000 Männer von den Schiffen in die Stadt kommen.“

L'Tavern

An einem Abend besuche ich einige der Clubs am Magsaysay -Drive, die der Bürgermeister als „schön“ und „freundlich“ empfindet. In jedem sitzen, trinken und warten einige Dutzend, manchmal sogar hunderte Philippinas. In Tangas, halb- oder ganz nackt bieten sie sich auf Laufstegen und Bühnen den herumsitzenden Soldaten an. Alle Frauen tragen große, gut leserliche Nummern: 117, 220, 305. Wollen die Männer eine Frau mitnehmen, nennen sie die Nummer und zahlen beim Clubmanager an der Kasse eine Auslösesumme. Die Preise stehen auf großen Schildern an der Wand: „Barfine 300 Pesos“. Das sind etwa 30 Mark. 30 Mark für eine numerierte Frau.

Am Eingang eines Clubs werden Billets verkauft. Das Stück für zwei Mark. Sie gelten zugleich als Lose für eine Tombola. Der Hauptpreis läuft in Stöckelschuhen über den Tresen: „Sugar Candy“, ein vielleicht 16- oder 17jähriges Mädchen. Sie muß diese Nacht mit dem Gewinner der Tombola im Raffle's Hotel verbringen. „Dusche und Farbfernseher sind im Preis inbegriffen.“ Der „L'Tavern-Club“ bietet eine „Striptease-Show mit einer besonderen Attraktion“: Nachdem die Tänzerin sich ganz entkleidet hat, wird ein US-Soldat auf die Bühne gebeten. Er legt sich auf die Erde, steckt sich einen Dollar-Schein zwischen die Zähne und die nackte philippinische Tänzerin muß ihm den Geldschein mit ihrer Vagina aus dem Maul ziehen. Deutlicher und brutaler kann die Abhängigkeit Olongapos von den Dollars der US-Militärs und die damit verbundene Erniedrigung philippinischer Frauen kaum demonstriert werden.

In einem Hinterzimmer des L'Tavern-Clubs, das durch einen schmalen Gang von der Bar aus zu erreichen ist, treffe ich Larry Lim, den Club-Besitzer. Sein Büro erinnert mich an Mafia-Filme: An der Wand hängen Poster von Pin-up-Girls neben einer Statue der heiligen Jungfrau Maria mit dem Jesuskind. Ein paar Männer sitzen am Spieltisch, und Larry Lim, der dicke chinesische Clubbesitzer, thront hinter seinem großen Schreibtisch. 100 bis 150 Gäste habe er täglich, erzählt er. In die großen Clubs kämen allerdings 500 bis 1.000. Er habe „nur einen kleinen Laden mit 80 Mädchen“. Die meisten seien zwischen 20 und 25 Jahre alt. Ihre Geschichte interessierte ihn nicht: „Die kommen aus Manila oder aus den Provinzen und bewerben sich hier. So lange sie keine Geschlechtskrankheiten haben, nehme ich sie“, sagt er. Larry Lim, der seinen Club „von den Eltern geerbt“ hat, erzählt mir, wie das Prostitutionsgeschäft organisiert ist: „Die Gogo-Tänzerinnen sind bei mir richtig angestellt. Die bekommen 50 Pesos am Tag.“ Das sind knapp fünf Mark. „Für Strip-Shows gibt es einen Extra-Zuschlag. Und wenn ein Soldat eine mitnehmen will, muß er die 'barfine‘ bezahlen. Wenn die 'barfine‘ 300 Pesos beträgt, bekommen die Mädchen davon die Hälfte.“ Das heißt: den Frauen bleiben pro Freier nur 15 Mark Lohn, den Rest behält der Club-Besitzer.

Playboy-Room

„Christie“ ist 20 Jahre alt und arbeitet im L'Tavern-Club. Sie stamme, so erzählt sie mir, aus Masbate, einer Provinz im Süden der Philippinen. Sie sei nach Olongapo gekommen, um hier Arbeit zu suchen: „Ich habe Maniküre gelernt. Aber damit konnte ich nicht genug zum täglichen Leben verdienen. Deshalb habe ich versucht, in einem Club zu arbeiten. So landete ich im Playboy-Room als Bunny-Girl. Meine Familie weiß davon nichts.“ Sie sei zu schüchtern, um als Gogo-Girl zu arbeiten, sagt Christie. „Aber wenn ein Soldat kommt und meine 'barfine‘ bezahlt, gehe ich mit ihm. Das ist mein Job.“

Christie verdient im Schnitt pro Woche 500 Pesos. Das sind knapp 50 Mark. Von diesem Geld muß sie auch ihren elf Monate alten Sohn ernähren. Der Vater, ein US-Soldat, ist seit Monaten aus Olongapo verschwunden. „Er hat mir weh getan“, erzählt Christie, „denn ich liebe ihn. Vielleicht hat er mich längst vergessen. Ich hätte gerne einen Amerikaner als Ehemann, um hier nicht mehr arbeiten zu müssen.“

Für die Arbeit in der Bar braucht Christie „eine Lizenz vom Bürgermeister“. So verdient auch die Stadtverwaltung am Prostitutionsgeschäft: „Es ist illegal, auf dem Straßenstrich zu arbeiten. Alle Frauen müssen sich mit einer Bar zusammentun. Dafür müssen sie eine Art Berufsabgabe an die Stadt zahlen.“ 16.000 Frauen sind auf diese Weise in Olongapo zwangsregistriert. Einige tausend andere arbeiten darüber hinaus „illegal“. Jede Woche muß sich Christie, wie alle registrierten Frauen, zur Zwangsuntersuchung beim Gesundheitsamt Olongapos melden. Auch hierfür kassiert die Stadt wieder Gebühren, obwohl die Ausrüstung, die dort gebraucht wird, um Geschlechtskrankheiten festzustellen, von der US-Navy gespendet wurde. Die US-Navy stellt auch die nötigen Arzneimittel kostenlos zur Verfügung. Einen Beitrag der US-Behörden zur Förderung der institutionellen Prostitution will der Presseoffizier der US-Base, J.D. van Sickle, darin allerdings nicht erkennen: „Es gibt Prostitution in Olongapo, das kann ich nicht leugnen, ebensowenig wie die Tatsache, daß unsere Leute in die Stadt gehen, wenn sie frei haben. Aber es ist nicht meine Sache, über die zu reden, die die Prostitution anbieten. Es steht uns nicht zu, Aktivitäten unseres Gastlandes zu verurteilen. Das Gastland entscheidet, welchen moralischen Werten es folgen will.“

Casa Boom Boom

Direkt gegenüber der Polizeistation von Olongapo wird auf einem großen Plakat für eine „Attraktion“ geworben, die im Gastland explizit verboten ist: Frauenboxen. In der Mitte dieses Clubs namens „Casa Boom Boom“ ist ein Ring vor einer Spiegelwand aufgebaut. Rundherum sitzen US-Soldaten mit numerierten Philippinas. Drei GIs werden zu Ringrichtern ernannt. „Sie wissen“, verkündet die Ansagerin, „bei uns gelten die olympischen Regeln. Sie entscheiden darüber, wer die agressivste Boxerin ist.“ Dann stellt sie die Gegnerinnen vor: „Lola Villanueva in Blau, 89 Pfund schwer und 24 Jahre alt, und in der anderen Ecke: Larisa de la Cruz, 18 Jahre und 95 Pfund schwer.“ Der Gongschlag ertönt.

Die beiden Mädchen gehen mit Boxhandschuhen aufeinander los. Erst zögernd, dann ernsthaft. Ein Schlag ins Gesicht. Ein haßerfüllter, verzweifelter Blick. Ein zweiter Schlag auf die Brust, dann wieder ins Gesicht. Wild und unkontrolliert schlägt die 18jährige Larisa zurück. Das hier ist kein Schaukampf. Es geht um Geld, um 250 Pesos, rund 25 Mark. Das sind immerhin fünf Tageslöhne einer philippinischen Fabrikarbeiterin. Um die Boxerinnen anzufeuern, hat ein GI zusätzlich weitere 50 Pesos für die Gewinnerin geboten. Noch einen Tagseslohn mehr. Wieder ein harter Schlag ins Gesicht. Larisa hat Tränen in den Augen. Ihre Lippen sind aufgeplatzt und angeschwollen. Die GIs schwitzen und lachen, trinken und gröhlen, klatschen und schreien: „Let's go, blue! Los Blaue! Gib's ihr! Hau drauf! Mach sie alle!“ Die Soldaten trampeln mit den Füßen, trommeln mit ihren Bierflaschen auf die Holztische. Die Prostituierten, die zu Dutzenden um sie herumsitzen, kreischen. In der Umgangssprache der GIs heißen die philippinischen Frauen „L.B.F.M.'s“ - „Little Brown Fucking Machines“. Kleine braune Fickmaschinen. „Kill her! Schlag sie tot“, ruft ein Soldat der Boxerin in Blau zu. Larisa wird hart getroffen und angezählt. Sie schaut starr vor sich hin auf die Erde, rafft sich noch einmal auf, hält sich die Boxhandschuhe schützend vors Gesicht, um sich vor den Schlägen ihrer Gegnerin zu schützen, die zuschlägt und zuschlägt und zuschlägt, bis endlich der erlösende Gongschlag ertönt.

West World

Nach dem Interview mit dem US-Pressesekretär van Sickle chauffiert mich einer seiner Mitarbeiter über die Straßen der Base. Er zeigt mir das großzügige Offizierskasino, wo gerade eine „Barrio-Fiesta“ mit einer philippinischen Folkloregruppe angekündigt wird, und bringt mich ins Bungalowviertel, wo die dauerhaft stationierten US-Militärs zwischen Palmen, blühenden Rhododendronbüschen und Rosengärten wohnen. Ich sehe ein Strandcafe und einen Segelhafen, einen großen Golfplatz mit fein geschnittenem englischen Rasen und große Hallen mit Spielautomaten. Er zeigt mir ein großes Restaurant, wo man zwischen fünf verschiedenen Steaksorten und zwölf verschiedenen Hamburgern wählen kann, und weist mich auf das Navy-eigene Programm im Fernsehen hin. Nur das, was ich eigentlich sehen will, zeigt mir der Presseoffizier nicht: Die großen Docks und Schiffswerkstätten, in denen tausende Philippinos arbeiten. Sie sind von hohen Mauern mit Stacheldraht umgeben: „Zutritt für Besucher verboten!“

Mein Begleiter erzählt mir, daß 39.000 philippinische Männer und Frauen auf der Base beschäftigt seien, entweder als Festangestellte, als Gelegenheitsarbeiter oder als Haushaltshilfen. Sprechen darf ich niemanden von ihnen.

Aus Hochglanzbroschüren der US-Botschaft über die Base ist zu erfahren, daß philippinische Arbeiter hier mindestens 280 Mark im Monat verdienen, zum Beispiel, wenn sie als Pförtner arbeiten. Philippinische Wirtschaftswissenschaftler haben allerdings errechnet, daß eine Durchschnittsfamilie in diesem Land mindestens 400 Mark pro Monat zum Überleben braucht, wenn sie nicht Hunger leiden will. Die Löhne der 12.000 GelegenheitsarbeiterInnen, die allein auf der „Subic Naval Base“ arbeiten, sind sogar noch wesentlich niedriger. Sie verdienen nur 30 bis 50 Pesos, das sind zwischen drei und fünf Mark - pro Tag! Für die US-Arbeiter auf den Basen gilt dagegen das US-Lohnniveau. So verdient ein nordamerikanischer Vorarbeiter in der Schiffswerkstatt 20mal mehr als sein philippinischer Kollege und ein US-Briefträger auf der Base sogar 50mal mehr als ein Philippino, der die gleiche Arbeit macht.

Casablanca

1986, nach dem Sturz von Diktator Marcos, gab es in Olongapo erstmals einen Streik gegen die Diskriminierung der philippinischen Beschäftigten auf der Base. 42 Philippinos wollten damals auch eine eigene kämpferische Organisation gegen die offizielle, US-freundliche Base-Gewerkschaft gründen.

„Wir hatten uns bei dem Streik kennengelernt“, erzählt einer der 42. „Danach blieben wir weiter in Kontakt, da wir die Ziele, für die wir in den Streik getreten waren, längst nicht erreicht hatten. Am 17.Juni 1986 holten uns US -Soldaten von unseren verschiedenen Arbeitsplätzen auf der Base, gaben uns die Papiere und warfen uns hinaus. Viele konnten nicht einmal ihre Kleider wechseln, und einige wurden mißhandelt.“

Die entlassenen 42 Arbeiter, die seit dieser Auseinandersetzung auf den Philippinen als „Subic 42“ bekannt sind, haben heute kaum noch Chancen, in Olongapo Arbeit zu finden. Fotos von ihnen erschienen auf schwarzen Listen bei den lokalen Arbeitgebern, auch bei den Clubbesitzern. Trotzdem setzte die Gruppe ihre gewerkschaftliche Arbeit fort. Im Plaza-Hotel, im Casablanca und im Quality Resort Hotel konnten drei Betriebsgewerkschaften für die Prostituierten, Kellner und Putzfrauen gegründet werden. Als allerdings in zwei von diesen Clubs auch noch gestreikt wurde, schlug die Zuhälter -Mafia Olongapos zu. Ein Arbeiter berichtet: „Denis, der jüngste unserer Gruppe, war einer der Streikposten. Nachts schlief er vor dem Eingang des bestreikten Clubs. Am 12.April 1987 um fünf Uhr morgens wurde er erschossen.“

Bei der Untersuchung dieses Mordes stellte sich heraus, daß die Killer vom Besitzer dieses Clubs beauftragt waren. Der Club-Besitzer ist ein pensionierter US-Soldat.

Fortune Teller

Wie es weitergehen wird in Olongapo und auf der „Subic Naval Base“, wenn 1991 der Stützpunktvertrag zwischen den USA und der philippinischen Regierung ausläuft, weiß derzeit niemand. Präsidentin Corazon Aquino gibt sich in der Stützpunktfrage zwar nach außen hin unentschlossen. Hinter den Kulissen jedoch pokert sie letztlich um mehr US-Dollars für das hoch verschuldete Land. Aber die „Bewegung gegen die Basen“ auf den Philippinen wächst ständig, auch wenn Sprecher der philippinischen Friedensbewegung zugeben, daß sie - käme es heute zu einem Referendum über die US-Basen „noch nicht ganz die Mehrheit der Bevölkerung“ hinter sich hätten. Aber bis 1991 bleiben noch zwei Jahre Zeit zur politischen Aufklärung und Mobilisierung, und seit Michael Gorbatschow angeboten hat, die sowjetischen Stützpunkte im Nachbarland Vietnam zu räumen, zieht auch das US -Standardargument von der „sowjetischen Bedrohung“ auf den Philippinnen kaum noch. Was bleibt, ist die wirtschaftliche Abhängigkeit des Landes von den US-Militärs als Arbeit- und Auftraggeber. Die philippinische Friedensbewegung hat deshalb Pläne zur Konversion der US-Basen entwickelt. Auf einem Symposium in Olongapo betont die Sprecherin der „Koalition gegen die Basen“ ausdrücklich, daß es auch für diese Stadt nach dem Abzug der US-Militärs Überlebenschancen gäbe: „Base-Arbeiter aus Olongapo haben mir erzählt, daß sich in Subic mit den gleichen Anlagen, mit der gleichen Ausrüstung und mit der gleichen Ausbildung statt Kriegsschiffe zum Beispiel auch Teile für Fertighäuser bauen ließen. Damit könnten wir gegen ein Grundübel unseres Landes, die Wohnungsnot, vorgehen.“

Aber der Pressesprecher des Oberkommandos der US -Streitkräfte auf den Philippinen, Kapitänleutnant van Sickle, ist „sehr optimistisch“, daß es dazu auch nach 1991 nicht kommen wird: „Wir haben gar keinen Grund, pessimistisch zu sein“, sagt er lächelnd, „sondern wir sind voller Hoffnung, daß wir die Basen, so wie bisher, erhalten können.“