: Euro-Brüter im Brutkasten
Europäische Brüter-Bauer unterzeichnen Konzeptverträge für Mammut-Reaktor / Kräftige Finanzspritze aus Riesenhubers Haushalt / Fluchtbewegung unter den beteiligten Regierungen ■ Gerd Rosenkranz
Berlin (taz) - Im Schein des Bonner Blitzlichtgewitters und unter den Augen von Forschungsminister Riesenhuber wollen Vertreter europäischer Atomfirmen und Kernforschungseinrichtungen heute demonstrativ drei Verträge zur Entwicklung eines sogenannten Euro-Brüters (EFR) unterzeichnen. Ob es jemals zum ersten Spatenstich für diesen 1500-Megawatt-Mammutreaktor kommen wird, scheint jedoch überaus fraglich.
Der erste Vertrag enthält eine Übereinkunft der europäischen Brüter-Hersteller zur Entwicklung eines gemeinsamen Konzepts für den Euro-Brüter, der zweite regelt die noch zu leistenden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten und der dritte die gemeinsame Verwertung des mit der Entwicklung erworbenen Know-hows.
Die in der BRD während der Konzeptarbeiten anfallenden Kosten bezifferte Interatom-Sprecher Ibowski gegenüber der taz auf etwa 100 Millionen Mark pro Jahr. Darin sei ein konkreter Planungsauftrag, den die Euro-Atomer später von den Energieversorgern erhoffen, noch nicht enthalten. Die Höhe der jährlichen Zuschüsse aus dem Bonner Forschungsministerium sei noch nicht endgültig geklärt. Sie würden aus dem BMFT-Haushaltstitel zur Sicherheitsforschung und Weiterentwicklung von Brutreaktoren entnommen. Die Mittel sollen „nahtlos“ in das neue Projekt übergehen. Dies sei mit „einem bißchen Kosmetik“ ohne weiteres möglich.
Einen Bauentscheid erwartet der Interatom-Mann in vier bis sechs Jahren. Dann müsse auch über den Standort entschieden werden. Allgemein wird davon ausgegangen, daß der Euro -Brüter nicht ausgerechnet in der BRD hochgezogen werden soll, wo der zu erwartende Widerstand am größten ist.
Die Regierungen der beteiligten Länder sind an den heutigen Vertragsunterzeichnungen nicht direkt beteiligt. Eine „alles umfassende Regierungsvereinbarung“ über den Bau des Euro -Brüters sei bereits 1984 unterzeichnet worden, betonte Ibowski. In der Zwischenzeit hat jedoch in einigen der beteiligten Länder eine Fluchtbewegung eingesetzt. Die Abgeordnetenkammer in Rom kündigte gestern in einer einstimmig verabschiedeten Resolution die Mitarbeit an der Brüterentwicklung in Europa auf. Großbritannien kürzte bereits im vergangenen Sommer die Mittel für das ökonomisch unsinnige Brüter-Abenteuer drastisch zusammen.
Bei Interatom sieht man in dem Beschluß des italienischen Abgeordnetenhauses keinen wesentlichen Rückschlag. Parlamentsbeschlüsse bedeuteten „nicht zwangsläufig“, daß auch die Industrie des jeweiligen Landes aussteige, meinte Ibowski. Italien sei ohnehin nur an dem Hersteller- und dem Know-how-Vertrag beteiligt, das „atomkritische“ Holland ausschließlich am Know-how-Vertrag. Daß der Euro-Brüter in der sogenannten „loop-Bauweise“ von Kalkar errichtet werde, hält auch Ibowski für „Träumerei“. Das französische „pool -Konzept“ habe sich in Europa durchgesetzt.
Der Bund Bürgerinitiativen Umweltschutz und die Bonner SPD -Fraktion protestierten unterdessen in scharfer Form gegen das geplante Projekt. „Unter Ausschaltung des Parlaments“, erklärte der forschungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Vosen, versuche sich die Atomlobby „weiterhin aus öffentlichen Töpfen zu bedienen“.
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