: Offene Rechnungen nach dem „Jubeltheater“
■ Das E-88-Superspektakel „The Forest“ - mit 800.000 Mark veranschlagt - kostet mittlerweile fünf bis sechs Millionen
Zur Zeit werden anscheinend nicht nur die Theaterinszenierungen selbst immer länger, auch das Nachspiel hinter den Kulissen zieht sich oftmals reichlich hin. So wurde jetzt bekannt, daß Robert Wilsons, Heiner Müllers und David Byrnes‘ fünfstündiges Gigantodrama „The Forest“, das im letzten Herbst ebenso spektakulär wie letztlich erfolglos im Rahmen der „Werkstatt E 88“ über die Freie Volksbühne ging, noch heute, wenn schon nicht für künstlerischen, so doch für finanziellen Wirbel sorgt. Statt der ursprünglich veranschlagten 800.000 Mark soll das Vorzeigeprojekt mittlerweile zwischen fünf und sechs Millionen Mark gekostet haben. Nur einmal angenommen, die 15 Vorstellungen hätten tatsächlich 15.000 Zuschauer gesehen, dann hätte der Kultursenator jeden einzelnen der oft schon in der Pause wieder geräumten Plätze immernoch mit 400 Mark gesponsort. Produzent und Ort des Spektakels war die Freie Volksbühne, die allerdings sämtliche Kosten aus dem 60 -Millionen-E88-Etat des Kultursenators erstattet bekommen soll, wie der zuständige Abteilungsleiter des Noch -Kultursenators, Ingo Feßmann, versichert. Die ohnehin finanziell äußerst wackelig dastehende Freie Volksbühne würde also - entgegen der vom kulturpolitischen Sprecher der SPD Ditmar Staffelt in diesem Zusammenhang im 'Tagesspiegel‘ geäußerten Befürchtungen - mit dieser E88-Altlast nicht weiter beschwert. Gleichzeitig bräuchten sich aber, so der E 88-Planungsbeauftragte beim Kultursenator, Bernd Mehlitz, auch die neuen Machthaber im Rathaus Schöneberg keine Gedanken machen über einen eventuell in den beiden Berliner Jubeljahren angefallenen Schuldenberg und die dazugehörigen Nachfinanzierungen. Wenngleich längst noch nicht alle Rechnungen beglichen seien, bestünde „kein Grund zur Panik“. Die Verteuerungen hielten sich nämlich im Rahmen, schließlich habe man immer den Überblick über die laufenden Ausgaben behalten.
Genau den fehlenden überblick prangerte allerdings der 'Tagesspiegel‘ in bezug auf „The Forest“ an. Daß hierfür offenbar die sechs- bis achtfachen Kosten angefallen sind, liege laut Nele Hertling, der Leiterin der „Werkstatt E 88“, daran, daß während der Produktion die Übersicht über die Kosten für ein, zwei Wochen völlig verloren gegangen sei. Dies wiederum sei einem kaum durchschaubaren Kompetenzwirrwar zu danken: zwischen der Kulturverwaltung, die im letzten Jahr auf einmal auch mit der Kunst konfrontiert wurde, dem senatsbestückten Verein „Werkstatt E 88“ und seiner Chefin Nele Hertling, der von ihr beauftragten Münchner Theaterproduktionsagentur „Art-Bureau“ und der Freien Volksbühne, die „The Forest“ erst unter ihre Fittiche nahm, als das Theater des Westens und die Schaubühne als Produzenten ausgeschieden waren.
So meldete der 'Tagesspiegel‘, daß schon in der Vorbereitungsphase statt 200.000 Mark 500.000 ausgegeben worden seien, daß der Musiker David Byrne 530.000 Mark Studiokosten in Rechnung gestellt hätte, daß 100.000 für durcheinander geratene Kisten beim Transport des Bühnenbildes zu einem Gastspiel in New York draufgegangen seien und daß die Freie Volksbühne für 180.000 Mark ihre alte, noch völlig intakte Lichtanlage gegen eine neue ausgetauscht haben soll. Bislang hat man weder im Kultursenat noch bei der „Werkstatt E 88“ noch bei der Freien Volksbühne diese Zahlen bestätigt oder dementiert, denn auch hier scheinen die Kompetenzen nicht genau geklärt. Doch der Hinweis, man möchte sich an den jeweils anderen halten, wird zumindest die Schuldner auf Dauer nicht zufrieden stellen.
Grr
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen