A-Capella-Potpourri, perfekt

■ Wo sonst das Geld in die Kassen klingelt, erklangen am Montagabend Töne ganz anderer Art: Die sechs Frauen der Londoner-East-End-A-Capella-Formation „Mint Juleps“ entzückten in der Sparkasse am Brill

Wo sonst das Geld in die Kassen klingelt oder in ruhigen Nischen diskrete Kundenberatung betrieben wird, erklangen am Montagabend Töne ganz anderer Art: die Kassenhalle der Sparkasse am Brill wird des öfteren für kulturelle Veranstaltungen zweckentfremdet, aber zumindest an diesem Abend war das seriöse Ambiente kein Hindernis für exquisite Unterhaltungskost. Von Berührungsängsten mit diesem Finanztempel jedenfalls keine Spur: die Halle quoll fast über von einem überwiegend jungen Publikum, das von zwei A -Capella

Formationen angelockt worden war.

„Is this the real thing?“, lautete die erste Songzeige des Bremer Quintetts Total Vocal, und im nachhinein kann die Antwort nur lauten: nein. Vergleiche fallen nun einmal meist für eine Seite recht unvorteilhaft aus, und an diesem Abend konnte das für den Bremer Fünfer nur schlecht ausgesehen angesichts dessen, was noch folgte.

Dominierte bei Total Vocal noch das männliche Geschlecht, so konnte das beim Hauptact kaum der Fall sein, denn die Mint

Juleps aus dem Londoner East End sind sechs Frauen. Vom ersten Ton an legten sie bei ihrer Deutschlandpremiere los wie die Feuerwehr: ungemein kraftvoll, mit einer unglaublichen Sicherheit und trotzdem jederzeit so locker, daß auch der Spaß am gemeinsamen Agieren deutlich spürbar war.

Das funktioniert wohl nur auf dem Hintergrund jahrelanger Erfahrung und des sicheren Gefühls zueinander, und so ist es auch das Hauptplus der Mint Juleps, daß jede der sechs schon für sich eine unheimlich starke Solo-Stimme

besitzt: da ist auch nicht die geringste Unsicherheit zu spüren, teilweise erreichen die wechselnden Solostimmen eine solch intensive Wirkung, wie sie jedem Gospel-oder Blues -Shouter gut zu Gesicht stünde.

Die Arrangements der Sounds, die von Gospelnummern über Soultitel bis zum Discobeat reichen, sind relativ konventionell: die Kraft und Intensität kommt aus den Stimmen selber und aus dem traumwandlerisch sicheren Zusammenwirken.

Es kam nie das Gefühl auf, daß jetzt zur Abwechslung doch mal

ein paar Instrumente ganz gut täten: die Mint Juleps sind der beste Beweis, daß man ausschließlich mit der Stimme einen kräftigen Swing und Beat aufs Parkett legen kann. Ob alte Hits wie „I heard it through the grapevine“ und „Higher and higher“, der Reggaetitel „Monkey Man“ oder auch die softere Liebesballade „I was wrong“ - in der Performance lag soviel Energie und Vitalität, daß man zwangsläufig mitgerissen wurde.

Und das ohne jedes affektierte Gehabe, sondern locker, warmherzig und mit jenem Schuß britischen Humors gewürzt, der dann auch das letzte Zuhörerherz schwach werden läßt.

Apropos schwach: eine Augenweide boten die sechs jungen Damen natürlich auch und ließen wohl so manches männliche Herz im Publikum höher schlagen. Die Reaktionen waren jedenfalls enthusiastisch, und wäre die Saison nicht gerade erst am Anfang, könnte man von einem der diesjährigen Konzerthöhepunkte sprechen. Bitte mehr von dieser Art Pfefferminzgetränk.

JüS