: Absurdes Stück
Zum Urteil gegen Vaclav Havel ■ G A S T K O M M E N T A R
Die gegen den tschechischen Dramatiker Vaclav Havel erhobene Anklageschrift vom 22.Februar mutete schon wie eine Passage aus einem seiner absurden Stücke an: eine Kranzniederlegung am Wenzelsplatz wird in einen „Aufruf zur Behinderung der Sicherheitskräfte in Ausübung ihres Amtes“ umgemünzt. Doch das absurde Theater findet in der Realität statt, Havel ist zu neun Monaten verschärfter Haft verurteilt worden, weil er gemeinsam mit Tausenden des tschechischen Studenten Jan Palach gedenken wollte, der sich im Jahre 1969 aus Protest gegen den Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts 1968 öffentlich verbrannt hatte.
Das Urteil gegen Havel mag als ein Versuch gewertet werden, neuen Gedanken im Lande vorzubeugen. Angesichts einer bislang einmaligen Unterschriftenaktion von über 2.000 tschechischen und slowakischen Künstlern und Wissenschaftlern, die sich gegen die Festnahme Havels wenden, wird deutlich, daß sich die gekrümmten Rücken der tschechoslowakischen Intellektuellen aufzurichten beginnen. Und daß der ungarische Schriftstellerverband protestierte, wird nicht nur Vaclav Havel freuen.
Mit dem Urteil gegen Havel bemühen sich die Regierenden in Prag gleichzeitig, alle diejenigen, die kaum bekannt sind und somit den Schutz der weltweiten Popularität nicht genießen, einzuschüchtern. Im Bewußtsein dessen, daß „die Probleme, denen Westeuropa gegenübersteht, nicht zu lösen sind, ohne die Probleme im Osten zu lösen“ (Havel), ist es dringend notwendig, zu überlegen, wie nicht nur Havel geholfen werden kann.
Veronika Ambros, Slawistin aus Berlin
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