: RWE - „Die nächste Leiche schon im Keller“
Harter Schlagabtausch zwischen RWE-Vorstand und AtomkraftgegnerInnen auf der RWE-Jahreshauptversammlung / Mit der Texaco-Übernahme engagiert sich RWE nun auch im Wattenmeer / Kleinaktionärsvertreter Fiebig als Volkes Stimme ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Essen (taz) - „Leben wir in einem Land, das von Idioten regiert wird?“ fragte sich Aktionär Fiebig auf der Jahreshauptversammlung des Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerks (RWE). Der Unmut des mit reichlich Beifall bedachten Bewunderers des RWE-Vorstands richtete sich gegen die Stillegungsverfügung des rheinland -pfälzischen Umweltministeriums für den RWE-Störfallreaktor in Mülheim-Kährlich. Eine runde Million Mark kostet der stillgelegte Atommeiler den verschachtelten Konzern täglich. „Und genau sieben Milliarden Mark hat der Vorstand in den Sand gesetzt, falls der Reaktor endgültig stillgelegt wird“, empörte sich ein Sprecher der Kleinaktionäre aus Frankfurt, denen das Engagement der RWE im Atomgeschäft immer „unheimlicher“ wird - „aus rein wirtschaftlichen Erwägungen“.
Die Skandale um Nukem/Transnuklear (RWE-Beteiligung an Nukem 45 Pozent) und die Atomkraftwerke in Mülheim-Kährlich und vor allem in Biblis standen denn auch im Mittelpunkt der Erklärungen der Kritiker, die mit einer Aktie als „Eintrittskarte“ in die Hauptversammlung in der Gruga-Halle gelangten waren. Der verheimlichte Störfall vom Dezember 87 in Biblis sei eine „Bankrotterklärung“ für das RWE -Atomprogramm gewesen, meinte ein AKW-Gegner, der vom Auditorium der mit exakt acht Deutschmark Dividende pro Aktie beglückten Aktionäre ausgepfiffen wurde.
Zuvor hatte das RWE-Vorstandsmitglied Klette die Mehrheitsmeinung der rund 5.000 Klein- und Großkapitalisten zu Biblis „aus Unternehmersicht“ artikuliert: „Auslöser der Kampagne gegen Biblis war bezeichnenderweise nicht die offizielle Stellungnahme der amerikanischen Atomaufsichtsbehörde, sondern nur die inoffizielle Meinung eines einzelnen Mitarbeiters dieser Behörde. Ich erkläre hier noch einmal deutlich: Eine reale Gefahr für eine Kernschmelze und damit eine Gefahr für die Öffentlichkeit hat nicht bestanden.“ Die in Angriff genommenen „technischen Verbesserungen“ der Reaktoren in Biblis stünden in keinem Zusammenhang mit dem Störfall. Es handele sich hierbei um „rein vorsorgliche Maßnahmen mit dem Ziel, das Restrisiko der Kernenergie weiter zu vermindern“ (Klette).
Danach führte der Vorstand dem Auditorium einen Biblis-Film vor, mit dem „den grassierenden Polemiken“ gegen RWE die Spitze genommen werden sollte: „Seit 1898 erfüllt das RWE seine Pflicht auf dem Energiesektor.“ Doch nach nur wenigen Sekunden kam es zum Störfall: Der RWE-Werbefilm riß mehrfach und flimmerte dann schwer gestört über die Leinwand.
Aktionär Fiebig stieg anschließend in den Ring, um dem nach den Skandalen angeschlagenen Vorstand den Rücken zu stärken. Unter dem tosenden Beifall der Aktionäre gab Fiebig den Medien die Schuld am schlechten Bild, das die deutschen Unternehmen derzeit in der Öffentlichkeit abgeben würden: „Bednarz und Alt sind die Totengräber der deutschen Wirtschaft.“ Und auch die US-Amerikaner seien dabei, die deutsche Konkurrenz auf dem Weltmarkt „madig“ zu machen „und jeder Furz aus den USA wird hier von der Presse euphorisch aufgegriffen“.
Nach dem heftigen Schlagabtausch konzentrierte der Vorstand die Debatte auf die anderen Geschäftsbereiche des RWE. Im Mittelpunkt stand hier der Kauf der Deutschen Texaco durch den Konzern. Insgesamt 2,19 Milliarden Mark legte RWE für die Texaco auf den Tisch, davon 1,96 Milliarden „cash“. Noch in diesem Jahr werden die Texaco-Tankstellen in der Bundesrepublik mit den Namensschildern der neuen RWE -Gesellschaft „DEA“ ausgestattet, in die auch die bisherige RWE-Mineralölgesellschaft „UK“ integriert worden ist. Der Kauf der Texaco hatte zahlreiche Umweltschutzgruppen zum Protest gegen RWE vor der Gruga-Halle „animiert“. Die Kritiker werfen dem Konzern vor, durch die Ölförderung im Wattenmeer die gesamte geschützte Region extrem zu gefährden: „Durch einen großflächigen Ölunfall wird die Tier - und Pflanzenwelt im Wattenmeer unwiederbringlich zerstört.“ Nach den Unfällen in den AKWs habe RWE mit dem Kauf von Texaco schon „die nächste Leiche im Keller“ gebunkert.
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