: „Ein Maß für Deutsche und Ausländer“
Die Stadt Nürnberg widersetzt sich einer Bitte des bayerischen Innenministeriums, einem Türken die politische Betätigung zu untersagen / Innenministerium läßt nicht locker: Der Bitte folgt die Weisung ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
Gegen die Stimmen der CSU hat die Nürnberger Stadtratsmehrheit beschlossen, im Vollzug des Ausländergesetzes bei Ausländern künftig „keine anderen Maßstäbe anzulegen als bei Deutschen, soweit dies insbesondere die Ermessensspielräume, die das Gesetz eröffnet, ermöglichen“. Dieser Beschluß ist Ergebnis einer heftigen Auseinandersetzung über den Fall des 24jährigen türkischen Staatsangehörigen Cengiz Y. Das baye rische Innenministerium war an das Ausländeramt der Stadt Nürnberg mit der Bitte herangetreten, Y. die politische Betätigung zu untersagen und seinen Aufenthalt auf den Bezirk Mittelfranken zu beschränken. Begründet wurde dieses Begehren mit Erkenntnissen des Verfassungsschutzes über politische Aktivitäten des Türken, der seit seinem neunten Lebensmonat in der BRD wohnt.
Schon am Wochenende hatte Nürnbergs SPD-Oberbürgermeister Schönlein dem bayerischen Innenminister Stoiber mitgeteilt, daß die von der Staatsregierung angeführten Erkenntnisse nicht ausreichend wären, entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
Doch die Staatsregierung ließ nicht locker. Über die Regierung von Mittelfranken, die zuständige Aufsichtsbehörde der Stadt, wies das Innenministerium die Stadt an, Y. noch keinen positiven Bescheid zuzustellen. Die Akten seien vielmehr der Regierung zur fachaufsichtlichen Prüfung vorzulegen. Es wird damit gerechnet, daß die ursprüngliche Bitte des Innenministeriums in eine Weisung der Regierung von Mittelfranken umgewandelt wird, gegen die die Stadt dann gerichtlich vorgehen müßte.
Der Antrag der Grünen, wonach in Nürnberg exemplarisch für alle bayerischen Kommunen die Frage der Kompetenzen beim Vollzug des Ausländerrechts grundsätzlich geklärt werden sollte, wurde vom Stadtrat in den Rechts- und Wirtschaftsausschuß verwiesen. Aus einem entsprechenden Rechtsgutachten und einem Kommentar zum bayerischen Kommunalrecht geht nach Ansicht der Grünen eindeutig hervor, daß es dem Stadtrat obliegt, ob er dem OB Fragen des Vollzugs des Ausländerrechts zur selbständigen Erledigung überläßt. Dann hätte der Stadtrat die Möglichkeit, über Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung - zum Beispiel Abschiebungen oder Einschränkung von Menschenrechten direkt zu entscheiden. Dem widersprach Nürnbergs Rechtsreferent Sauber (SPD) entschieden. Immerhin hält er für praktikabel, daß der Stadtratsausschuß in Kenntnis gesetzt wird, wenn Aufenthaltsgenehmigungen, -berechtigungen und -duldungen versagt werden.
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