: „Die Justizgewalt deutlich gemacht“
■ Weiterhin befinden sich Gefangene im Hungerstreik / Einer hat aufgegeben / Justiz: „Strafaussetzung so nicht zu erreichen“
Der Gefangene Werner Guderjahn (44) hat am vergangenen Freitag seinen Hunger- und Durststreik abgebrochen, teilte Justizsprecher Christoffel auf Nachfrage mit. Wie berichtet, hatte der Gefangene seit dem 1. Januar gehungert und seit 20. Februar durstgestreikt, weil er sich unschuldig wegen Raubmordes verurteilt fühlt. Seine Forderung lautete auf mindestens ein Jahr Haftunterbrechung, um während dieser Zeit die für ein Wiederaufnahmeverfahren erforderlichen Beweise seiner Unschuld sammeln zu können.
Nach Angaben von Christoffel brach Guderjahn seinen Hungerstreik am Freitag ab, nachdem er ein längeres Gespräch mit einem Moabiter Vollzugsleiter geführt hatte. Der Beamte habe deutlich gemacht, daß es für Guderjahn keine Chance auf eine Strafunterbrechung gebe. Dem Gefangenen seien alsdann die Möglichkeiten eines Gnadengesuchs verdeutlicht und eine Verlegung in die Haftanstalt Plötzensee in Aussicht gestellt worden, um dort baldmöglichst in den offenen Vollzug zu kommen. Guderjahn ist ab März dieses Jahres „urlaubsfähig“, weil er von seiner 14jährigen Strafe bereits acht Jahre abgesessen hat.
Seit dem 15. Februar weiterhin im Hungerstreik ist die 29jährige Krankenpflegerin Gabriele G. in der Frauenhaftanstalt Plötzensee. Sie forderte ihre Verlegung in eine Therapieeinrichtung für abhängige Frauen oder in eine Nervenklinik. G. wurde im Dezember 1985 zu fünf Jahren Haft verurteilt, unter anderem wegen Brandstiftung. Sie hatte auf das Rathaus Friedenau einen Brandanschlag verübt, um ihren Vormund zu töten, den sie für alles Schlimme in ihrem Leben verantwortlich machte: G. hatte als Vollwaise bis zu ihrem 18. Lebensjahr unter seiner Pflegschaft gestanden. Nach Weisung des Gerichts sollte G. in Haft psychotherapeutisch behandelt werden.
Die Forderung der Gefangenen wurde vom Justizsprecher gestern mit dem Hinweis zurückgewiesen, G. werde in der Haftanstalt bereits regelmäßig von einem Diplompsychologen und einer Anstaltsneurologin betreut. G. könne aber nicht in eine Nervenklinik verlegt werden, weil sie von den Ärtzen für „nicht geeignet“ gehalten werde.
„Um die Gewalt der Justiz in aller Deutlichkeit zu zeigen“, hungert seit dem 8. Februar der Arzt Wolfgang Conzelmann. Wie berichtet, sitzt Conzelmann 40 Tage in Haft, weil er sich weigerte, einen Strafbefehl von 800 Mark zu bezahlen, den er als Sanitäter bei der Reagan-Demo am 11.6. 82 bekommen hatte (die taz berichtete). Christoffel zufolge wäre Conzelmann ohne Hungerstreik längst im offenen Vollzug. Auch die drei Gefangenen aus Tegel, die sich mit dem RAF -Hungerstreik solidarisierten, verweigern nach Angaben des Justizsprechers immer noch die „Annahme der Anstaltskost“.
plu
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