Bildungshaie zerstören Qualität

Erstes Treffen der Betriebsräte von Weiterbildungsstätten / DGB fordert Anerkennungsverfahren für Weiterbildungsträger / Protest gegen Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes  ■  Aus Nürnberg Bernd Siegler

Die 9.Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes macht DGB -Bundesvorstandsmitglied Otto Semmler dafür verantwortlich, daß sogenannte „Billiganbieter“ die traditionellen Weiterbildungsträger, die mit geschützten Arbeitsverhältnissen für die dort Beschäftigten eine qualitativ gute Ausbildung bieten, zunehmend vom Markt drängen. Erstmalig trafen sich deswegen etwa 250 Betriebsräte von Weiterbildungsstätten aus dem ganzen Bundesgebiet in Nürnberg, um sich auf eine gemeinsame Strategie zu einigen. Dabei wurde auch bekannt, daß sich aufgrund der veränderten gesetzlichen Lage bereits das Klima innerhalb der Einrichtungen verschärft hat. Eklatantes Beispiel hierfür bietet die „Gesellschaft für berufsspezifische Ausbildung“ (GFBA). In deren Filiale in Arolsen bei Kassel wurden dem Betriebsratsvorsitzenden und einer Betriebsrätin fristlose Kündigungen ausgesprochen.

Die GFBA zählt mit rund 800 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 45 Millionen Mark zu den größeren der privaten Weiterbildungsträger. In der Weiterbildungsstätte Arolsen arbeiten 50 Beschäftigte hauptsächlich im Aussiedlerbereich und in Abiturvorbereitungskursen für Flüchtlinge. Im Gegensatz zu den meisten Weiterbildungsträgern und auch den meisten der 20 anderen zur GFBA gehörenden Ausbildungsstätten bestehen in Arolsen aufgrund eines aktiven Betriebsrats tarifvertraglich abgesicherte Arbeitsverhältnisse. GFBA -Gesamtbetriebsratsvorsitzender Martin Jäger vermutet, daß die GFBA-Leitung angesichts der in Zukunft sinkenden Flüchtlingszahlen und des Endes der „Aussiedlerkonjunktur“ mit den Kündigungen vorexerzieren will, wie man mit mißliebigen Betriebsräten umzugehen gedenkt. Der Fall Arolsen habe deshalb in Zusammenhang mit der Verschlechterung der Situation der Weiterbildungsträger aufgrund der Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes und der Kürzung der Mittel für die berufliche Qualifizierung eine „zentrale Bedeutung für alle Anbieter“.

Unisono beklagten die in Nürnberg versammelten Betriebsräte, daß viele bei Weiterbildungsträgern Beschäftigte in ungeschützten Arbeitsverhältnissen stehen, mit Honorarverträgen ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Urlaub. In den meisten Fällen gebe es überhaupt keinen Betriebsrat, Kürzungen von Fördermitteln würden sofort auf die Beschäftigten und die Kursteilnehmer abgewälzt. Um dies zu verhindern, forderte DGB -Bundesvorstandsmitglied Semmler gegenüber den Arbeitsämtern als ersten Schritt die Durchsetzung von Qualitätsstandards, die sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Erfolgskontrolle der Bildungsmaßnahmen beinhalten. Während das Arbeitsamt sonst über Schwarzarbeit lamentiere, so beklagte ein Betriebsrat, „nimmt es im Fall der beruflichen Weiterbildung ungeschützte Arbeitsverhältnisse zumindest billigend in Kauf“. Um den „Wildwuchs im Weiterbildungsbereich“ ein Ende zu bereiten, fordert Nürnbergs DGB-Chef Weininger, die Weiterbildungsträger einem Anerkennungsverfahren zu unterziehen. Das werde jedoch derzeit erst in Hamburg und im Saarland diskutiert.