: Iran bestätigt Massenexekution
Innenminister äußert sich zur Todesstrafe / Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien ■ Von Beate Seel
Berlin (taz) - Der iranische Innenminister Ali Akbar Mohtaschemi hat die Hinrichtungen im Iran gerechtfertigt und erstmals indirekt zugegeben, daß es im letzten halben Jahr zu Massenexekutionen von politischen Gefangenen gekommen ist. Unterdessen zog der Mordbefehl Khomeinis gegen den indisch-britischen Autor Salman Rushdie weitere Kreise. Am Dienstag beschloß Iran den Abbruch seiner diplomatischen Beziehungen zu Grobritannien.
„Bei uns wird nach den klaren Vorschriften der Sharia gerichtet“, erklärte Innenminister Mohtaschemi in einem Interview mit der Beiruter Zeitung 'Al Mustaqbal‘, „dementsprechend werden Mitglieder von Parteien und Organisationen, die bewaffnet kämpfen, Menschen umbringen, mit dem Tode bestraft.“ Damit umfaßt der von Mohtaschemi benannte Personenkreis nicht nur Leute, die selbst eine bewaffnete Aktion durchgeführt haben, sondern alle Angehörigen politischer Organisationen wie beispielsweise der Volksmudschaheddin, gleich, ob sie ein Flugblatt verteilt oder das Regime mit Waffen bekämpft haben.
Der Innenminister ging im weiteren auf die Volksmudschaheddin ein, die im Juli vom Irak aus einen Angriff auf den Iran gestartet hatten. „Um zum Schluß dieser Angelegenheit zu kommen: alle, die nach dieser Operation und Gegenopertaion festgenommen wurden, sind Fortsetzung Seite 2
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hingerichtet worden. Sie haben dem Volk den Krieg erklärt und sie haben getötet. Sie wurden getötet.“ Nach dem Angriff der Mudschaheddin wurden jedoch auch Anhänger der Organisation hingerichtet, die zum Zeitpunkt der Operation bereits im Gefängnis saßen, sowie Angehörige anderer politischer Parteien, die zum Teil zu Haftstrafen verurteilt worden waren. Mittlerweile muß man davon ausgehen, daß praktisch alle politischen Gefangenen, die
ihre Ansichten nicht widerrufen haben, getötet wurden. Die Zahl der seit Sommer letzten Jahres Hingerichteten wird auf mehrere Tausend geschätzt.
Mohtaschemi zählt zu den exponiertesten Hardlinern. Er ist gegen alle Beziehungen zum Westen. Am Dienstag schlug die Stunde für ihn und seine Mitstreiter, als das iranische Parlament beschloß, die diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien abzubrechen, falls die Regierung in London nicht innerhalb einer Woche ihre Haltung zum Islam ändere und Rushdie verurteile. Über 100 der 180 Abgeordneten sprachen sich für den Antrag aus und begrüßten mit Lobeshymnen ihren Beschluß, der inzwischen vom Wächterrat, einem Gremium aus schiitischen Geistlichen und Juristen, be
stätigt wurde.
Unterdessen hat die Sowjetunion eine Vermittlerrolle in der Rushdie-Affäre angeboten. Der Sprecher des Außenministeriums, Gerassimow, sagte: „Der iranischen Regierung ist an einer Lösung dieser Affäre gelegen.“ Schewardnadse will das Thema Rushdie kommende Woche bei den Abrüstungsverhandlungen in Wien zur Sprache bringen.
In der nordindischen Stadt Srinagar wurden bei Protesten gegen das Buch Rushdies eine Person getötet und sieben weitere zum Teil schwer verletzt.
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