: Im Hause Europas
■ Magisches Datum 1992: Was bringt die Öffnung des europäischen Binnenmarktes für Frauen?
Ein magisches Datum herrscht über Europa: 1992. Von Freizügigkeit der EG-Bürger ist die Rede. Auch von Freizügigkeit der EG-Bürgerinnen? In Brüssel ackern sich die Kommissionen durch stapelweise Papier. Richtlinienentwürfe werden erstellt, die jeden Aspekt europäischen Lebens berücksichtigen sollen. Das berichteten auf dem Plenum des 1.Feministischen Ökonomieforums die Europa-Abgeordneten der Regenbogen-Fraktion Annette Goerlich und Margret Kranich.
Aber bereits in der Handhabung dieser Entwürfe werden kleine aber feine Unterschiede gemacht. So werden in einigen Bereichen bei der Abstimmung in den Ministerräten Mehrheitsverfahren angewendet. Die Richtlinienentwürfe dagegen, die die Gleichstellung der Frau in der Berufswelt zum Inhalt haben, werden nur nach dem Einstimmigkeitsprinzip angenommen. Daß alle zwölf Regierungen bei der Gleichstellung der Frau einer Meinung sein werden, dürfte kaum zu erwarten sein. Es sei denn, sie einigten sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, der unterhalb der in einigen Ländern hohen Sozialstandards liegt.
Um Firmensiedlungen anzulocken, werden sich einige Länder sehr wohl überlegen, ob beispielsweise fortschrittliche Mutterschutzregelungen als Wettbewerbshindernis abgebaut werden sollten. Auch werden Frauenarbeitsschutzgesetze wie das Nachtarbeitsverbot in der EG nicht in Frage gestellt.
Grundsätzlich fehlt nach wie vor ein Entwurf für eine umfassende Sozialpolitik, der nicht nur die Menschen als ArbeitnehmerInnen definiert, sondern auch ihre familiären und sozialen Bezüge berücksichtigt. Bei der zu erwartenden Mobilität innerhalb der EG wird sich für Frauen die Frage stellen, wer welchem Partner in welchen Teil Europas folgt. Wird eine räumliche Trennung, wenn beispielsweise die Frau ihr soziales Umfeld nicht aufgeben will, in Kauf genommen? Welcher Job in welchem Land wird für wen als wichtiger erachtet?
Zugegeben, daß sind Komplikationen, die nicht für die Mehrzahl der Arbeitnehmerinnen beziehungsweise Ehefrauen gelten werden. Dennoch sind diese sozialen Fragen bislang in der EG nicht berücksichtigt. Auch die unterschiedlichen Gesetze der Länder in Sachen Namensrecht, Scheidung, Unterhaltspflicht und Schulbesuch der Kinder werden Schwierigkeiten mit sich bringen, die bislang noch nicht abzuschätzen sind. Ob sich Frauen 1992 als Europäerinnen begreifen werden, wird im wesentlichen von der Einrichtung des „Haus Europa“ abhängen.
Petra Dubilski
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