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Milosevics Triumph: Verhaftungswelle in Kosovo

„Befriedung“ in Kosovo nach dem Generalstreik: prominente Parteiführer verhaftet / Belgrader Zeitung 'Politika‘ veröffentlicht Namensliste / Unter den ersten Festgenommenen früherer Parteichef der autonomen Provinz / Bevölkerung ist resigniert und ratlos  ■  Aus Belgrad Erich Rathfelder

Der serbische Parteiführer Slobodan Milosevic hat sich durchgesetzt: Die Kommunisten in Kosovo haben offensichtlich keine Chance mehr, den Gang der Dinge in ihrem Sinn zu beeinflussen. Nach der Verhaftung von Azem Vlasi, dem erst im Januar abgelösten Parteichef der autonomen Provinz Kosovo sowie zweier Generaldirektoren der Bergwerke von Stari Trg und Trepca werden nun weitere Verhaftungen durchgezogen. In der Belgrader Zeitung 'Politika‘ ist gestern eine Liste von mehr als 30 Namen veröffentlicht worden, deren Verhaftungen wahrscheinlich bevorstehen. Bei den Namen handelt es sich um die Creme der Albaner in der Partei in Kosovo. Neben Ekrem Arifi, dem Sekretär des Provinzkomitees, stehen Namen wie Daut Iasanica, Direktor des Studentenzentrums, Adem Hasani, Vorsitzender der Jugendorganisation und andere wichtige KP -Funktionäre auf der Liste.

In Kosovo herrscht seit Donnerstag tiefe Resignation. Der Wille zum Widerstand gegen eine geplante Verfassungsänderung, die ihre Autonomie beschränkt, ist zwar noch nicht gebrochen, doch weder Arbeiter noch Intellektuelle sehen eine Möglichkeit, jetzt noch zu agieren. Zwar hat sich die Armee wieder in die riesigen Kasernen zurückgezogen, doch ihre Machtdemonstration am Donnerstag morgen verfehlte den gewünschten Eindruck nicht: Tausende Soldaten fuhren mit gepanzerten Fahrzeugen, Lastwagen und Jeeps durch die Dörfer.

Auch als sie nach dieser Machtdemonstration zurückgeholt wurden, waren die Hoffnungen der Kosovo-Albaner, mit ihrem Widerstand ihre Autonomie zu retten, erst einmal zerstoben. Nach außen hin geht das Leben nun seinen gewohnten Gang: Läden, Restaurants und öffentliche Gebäude hatten geöffnet. Nur die Arbeiter von Trebca und Stari Trg sind noch nicht an die Arbeitsplätze zurückgekehrt. Die meisten der über tausend Kumpel sind noch krank: Die giftigen Gase in den Zink- und Bleiminen, denen sie über eine Woche ohne Unterbrechung ausgesetzt waren, haben ihnen zu stark zugesetzt. Doch die Streiks sind vorbei. Nur die Polizisten sind in den Gruben aktiv: Sie suchen fieberhaft nach angeblich von den Arbeitern zündfertig gelegten Dynamitladungen.

Mit Azem Vlasi ist einer der bekanntesten und wichtigsten Führer der albanischen Partei in vorläufige Untersuchungshaft genommen worden. Ihm und den Direktoren von Stari Trg und Trebca, Aziz Abrasi und Buzhan Karaja, wird nun öffentlich die Organisierung der angeblich nationalistischen und separatistischen Kampagne vorgeworfen. Der 41jährige Vlasi, der im Juni 1987 Parteichef wurde und damals den altgedienten Fadil Hodscha ablöste, ist im Januar nach einem Krisenplenum des jugoslawischen ZK gestürzt worden. Ihm wird jetzt vor allem vorgeworfen, die streikenden Bergarbeiter in Trebca und Stari Trg besucht, Streiks angezettelt zu haben und überhaupt der Kopf des Ganzen zu sein, schreibt 'Politica‘.

In Serbien sind die Urteile also schon gefällt. Milosevics Ankündigung vom Dienstag war: „Ich garantiere Ihnen, wir werden die Verantwortlichen verhaften.“ Albanische Intellektuelle sehen die nächsten Schritte schon klar: zuerst würden die Leute auf der Liste verhaftet, dann käme die Verfassungsreform. Und die wird am 15.März verabschiedet. Bis auf die Tatsache, daß Serbisch wieder alleinige Amtssprache wird, sind Details noch unbekannt. Eines aber zeichnet sich ab: Die Verhaftungen werden nicht nur die Partei, sondern das gesamte Geistesleben treffen. Schon jetzt hat 'Politica‘ die „eigentlichen Zentren des albanischen Nationalismus und der Konterrevolution“ benannt: das historische Institut der Universität Pristina und die Akademie der Wissenschaften.

Die Kommentare aus den anderen Republiken klingen eher verhalten. Zwar protestiert die slowenische Parteizeitung 'Delo‘ gegen die Verhaftungen, doch scheint die slowenische Führung ratlos. Der große Aufschrei ist ausgeblieben.

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