: SPD/AL-Sport: Die neue Nachdenklichkeit
■ Sport-Baupläne der CDU/FDP am Wannsee, in Gatow und für die Eissporthalle landeten bei den SPD/AL-Verhandlungen im Papierkorb / Signal für den Leistungssport: Mehr Problembewußtsein und weniger Prestigeveranstaltungen
Ohne schwere Querelen, abseits der großen Streitpunkte, gingen dem Vernehmen nach die rot-grünen Verhandlungen zur Sportpolitik über die Bühne. Die Ergebnisse wurden in dem „Entwurf einer Vereinbarung zur Sportpolitik“ festgehalten. Teile dieses Entwurfs wurden gegenüber der taz vorab bekannt.
Danach wird es bei einer rot-grünen Zusammenarbeit keinen Golfplatz auf der ehemaligen Mülldeponie am Wannsee, keine Regattastrecke in Gatow und auch keinen Ausbau der Eissporthalle Jaffestraße geben. Die erneute Änderung der zum Ende der Legislaturperiode von CDU und FDP durchgepeitschten Novellierung des Sportförderungsgesetzes stünde ebenso auf dem SPD/AL-Fahrplan. Bis Ende 1989 soll eine Neufassung auf die Beine gestellt werden. Die Probleme des Sports sollen anders als in der Vergangenheit ausgiebig in einer Art Symposium mit Experten diskutiert werden, um dann durch die Gesetzesänderung die bisher von der CDU festgeschriebene Sportpolitik auf neue Bahnen zu lenken.
Der Leistungssport soll nach dem Entwurf weitaus kritischer als von der CDU-Sportsenatorin Laurien unter die Lupe genommen werden. Teure Sportspektakel wie die Tour-de-France -Etappe in Berlin zur 750-Jahr-Feier soll es so nicht mehr geben. Statt dessen wird der Breiten- und Freizeitsport mit diversen Projekten verstärkt gefördert. Sportliche „Highlights“ sollen in Zukunft sorgfältiger ausgesucht werden. Der AL schweben unter anderem als Idee „World Gay Olympics“ in Berlin vor.
Insgesamt würde sich sich nach den SPD/AL -Sportvereinbarungen folgende Wende anbahnen: Sport soll nicht mehr im Rahmen einer effektheischenden Kulturpolitik instrumentalisiert werden, sondern Teil einer besseren Sozialpolitik werden. Die „neue Nachdenklichkeit“ im Leistungssport hat nach den Verhandlungen zu dem Beschluß geführt, daß Athleten, denen ein Verstoß gegen die Dopingregeln nachgewiesen werden kann, automatisch von jeder finanziellen Förderung durch den Senat ausgeschlossen werden. Die Streichung der Gelder für die Profiabteilungen („Blau-Weiß hat Angst vor Rot-Grün“ meldete 'Bild'nach der Wahl) steht jedoch vorerst nicht zur Debatte. Allerdings soll vom Land Berlin durch die Einbringung einer Bundesratsinitiative die Praxis der öffentlichen Unterstützung von Lizenzspielabteilungen überprüft werden.
Wie zu hören war, wollten die Verhandlungspartner aber insgesamt ein Signal setzen, daß der Spitzensport nicht, wie einige Panikmacher glauben machen wollen, im Grundsatz angetastet werden soll. So wird der Olympiastützpunkt weiterhin mit einem Finanzvolumen von 250.000 Mark gefördert, der Erhalt und die Konsolidierung dieser Einrichtung des Leistungssports wird angestrebt. Ebenso werden auch die zehn Senatsstellen (500.000 Mark jährlich) für Spitzensportler beibehalten. Dabei verbuchte die SPD den Erfolg, die Stellen gesichert zu haben, die AL freute sich, daß es nicht mehr werden. Im Vordergrund würde bei der zukünftigen Vergabe dieser Stellen eine „soziale Indikation“ stehen. Das heißt, ein Profi wie Hochsprung-Olympiasieger Mögenburg, der 1987 vom Senat als Aushängeschild eingekauft wurde, dürfte in Zukunft nicht mehr in den Gehaltslisten auftauchen.
Zu den Bauplänen der SPD/AL-Sportpolitiker: Der Ausbau des Poststadions (bisher waren 90 Millionen Mark veranschlagt) würde - aus Geldmangel - wohl kaum in der vom alten Senat geplanten Form über die Bühne gehen. Allerdings steht ein Erhalt und Ausbau des Stadions weiterhin an. Bei der Radrennbahn Schöneberg soll die geplante Ganzüberdachung nochmals überprüft werden. Auch das Sportpalast-Projekt stünde bei einem SPD/AL-Bündnis nicht auf dem Abstellgleis. Die noch in der letzten Legislaturperiode eingesetzte Kommission, die sich um einen Standort kümmert, hat weiterhin grünes Licht. Überprüft werden soll der Neubau des FU-Sportzentrums. Als Standort soll wieder die Pacelliallee ins Spiel gebracht werden. Allerdings gibt es noch Probleme der Finanzierung. Es ist nicht klar, wie Gelder aus Bonn verwendet werden können.
Auch im Schulsport soll sich einiges ändern. Die Zahl der sportbetonten Grundschulen würde vorraussichtlich bei einer rot-grünen Hochzeit erhöht, die Zahl der Sportstunden von drei auf vier pro Woche gesteigert. In der Oberschule wird eine Koedukation, die bisher über die sechste Klasse hinaus verboten war, angestrebt. Ein vereinbartes Schulsportfest beispielsweise mit vielen „New Games“ oder Fußballspielen Schüler gegen Lehrer, das einmal pro Halbjahr ohne Noten und Zensuren ausgerichtet werden soll, wird alle freuen, die keinen Spaß an den alten Bundesjugendspielen haben.
Frischer Wind soll nach dem SPD/AL-Papier auch in der Sportlehrerfortbildung wehen. Die Pädagogen sollen verstärkt neue Kooperations- und Spielformen vermitteln lernen. Die Vergabepraxis von Sporthallen und -plätzen soll überprüft werden, die Angebote der Bezirke sollen verbessert werden. Die Volkshochschulen sollen auch in Zukunft Sportkurse wie Tanz, Gymnastik und Selbstverteidigung anbieten. Auch die Freizeit- und Erholungsprogramme der Bezirke werden beibehalten. Die sportmedizinischen Beratungsstellen für Breiten- und Freizeitsportler sollen erhalten bzw. ausgebaut werden. Die Übungsleiterpauschalen sollen, falls das Geld vorhanden ist, erhöht werden.
Sport würde in Zukunft auch verstärkt ein Mittel der Ausländerintegration werden. Besonders in „Problembezirken“ wie Neukölln wird es nach dem Entwurf Förderungsmaßnahmen für Vereine geben, die multikulturelle und multinationale Sportangebote machen. SPD und AL wollen somit auch durch den Sport gegen REP-Tendenzen und gegen den sich verschärfenden Rassismus angehen.
Theo Düttmann
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