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Khomeinis Machtkampf mit Satanischen Versen

Bereits im November erschien eine Kritik der „Satanischen Verse“ in der iranischen Presse / Der Übersetzer zweier früherer Rushdie-Bücher erhielt im Iran einen Preis / Rushdie-Verse gegen drohenden Machtverlust des Ayatollah instrumentalisiert / Situation im Iran nach Kriegsende läßt weitere Isolierung nicht zu  ■  Von Robert Sylvester

Teheran (taz) - Es dauerte zwei Monate - nicht, bis Ayatollah Ruhollah Khomeini das Buch von Salman Rushdie gelesen hatte, sondern bis er gegen die „Satanischen Verse“ zu Felde zog. Die Reaktion barg Zündstoff in sich. Damit hoffte Khomeini, aus einer bis dahin äußeren Angelegenheit im Innern politisches Kapital zu schlagen und sein nachlassendes Prestige als politischer und religiöser Führer wiederherzustellen. Iranische Zeitungsleser waren dabei schon lange über das umstrittene Werk unterrichtet. 'Keyhan Faranghi‘, eine monatliche Literaturbeilage der Tageszeitung 'Keyhan‘, hatte bereits am 30.November letzten Jahres eine Kritik veröffentlicht. „Die Satanischen Verse handeln, wie einige Kritiker sagen, in Wirklichkeit vom Iran, es ist eine Art westlicher und verwestlichter Reaktion gegen die islamische Revolution im Iran“, hieß es in dem Artikel. Das Buch wurde als „eine Beleidigung des Islam und eine nicht -künstlerische Karikierung des Islam“ bezeichnet, was deutlich „den künstlerischen Verfall und die moralische Dekadenz des Autors“ zeige. Außerdem wurde Rushdie vorgeworfen, er habe „in Wirklichkeit auf den Lärm um sein Buch“ gewartet. Ironischerweise sind zwei frühere Bücher Rushdies, die Mitternachtskinder und Scham und Schande bereits in persischen Übersetzungen erschienen. Der Übersetzer hat im Jahr 1987 gar den Preis für die beste Übersetzung erhalten. „Natürlich hat er die Fehltaten Rushdies nicht geteilt“, hieß es in 'Keyhan‘.

Wenn man hinter Khomeinis Todesurteil religiöse Ursachen vermutet, wird man nicht weiterkommen, will man die wirklichen Beweggründe verstehen. Rushdie ist weder der erste Schriftsteller, der den Islam und einige Suren des Koran, des heiligen Buchs der Moslems, angreift, noch ist sein Buch das erste dieser Art, wie auch 'Keyhan‘ zugibt. Auch hat Khomeini während seiner ganzen Karriere als religiöser Führer nie ein ähnliches Urteil über einen Schriftsteller ausgesprochen.

Die Rushdie-Affäre hat sich als das günstigste Mittel erwiesen, mit dem Khomeini seine Klientel wieder mobilisieren kann. Die politische Autorität und religiöse Stellung des Ayatollah war geschwächt gewesen, nachdem er im Sommer dem Waffenstillstand mit dem Irak zugestimmt hatte. Aus Ernüchterung über die Entscheidung ihres Führers begingen einige Revolutionsgardisten Selbstmord. Hochrangige geistliche Autoritäten stellten Khomeinis theologische Qualitäten infrage.

Das Todesurteil gegen Rushdie zielte somit darauf ab, sein Charisma unter jungen Anhängern wieder aufzupolieren. Aus Khomeinis letzter Botschaft vom 25.Februar, die an die Geistlichkeit gerichtet war, spricht das Bestreben, verlorenes Prestige zurückzugewinnen. „Wir haben unsere Positionen nicht geändert“, sagte er. „Solange ich da bin, werde ich nicht zulassen, daß eine Handvoll selbsternannter Liberaler den USA die Arme der Revolution öffnet.“

Nach dem Waffenstillstand war der Iran innenpolitisch zerrissen. Die Pragmatiker unter Führung von Parlamentspräsident Rafsandschani befürworteten einen gemäßigteren Regierungsstil sowie eine Öffnung zum Westen. Auf der anderen Seite wollten die Fundamentalisten die Kontrolle zurückgewinnen. Ohne finanzielle Möglichkeiten, die Kriegsschäden zu beseitigen, und angesichts des Scheiterns internationaler Friedensbemühungen an der Haltung des Irak sowie des Machtkampfs im Innern, stand das Land am Rande des Abgrunds. Die Zeit war reif für Khomeini, die politische Arena zu radikalisieren und somit die Kontrolle zurückzugewinnen. Radikale Kreise in der Regierung, wie Innenminister Mohtaschemi, führender Kopf der iranischen Milizen, nutzten die Gelegenheit, um den Pragmatikern eins auszuwischen. Doch Khomeini realisierte zu spät, daß die Situation außer Kontrolle geriet. Das erschwert nun einen Rückzieher. Aber der 88jährige Revolutionsführer hat bereits bewiesen, daß er seine Meinung von heute auf morgen ändern kann. Als er den Waffenstillstand mit dem Irak akzeptierte, zierten seine Durchhalteparolen wie „Wir werden kämpfen, selbst wenn der Krieg noch zwanzig Jahre dauert“ noch die Wände in Teheran.

Wenn Khomeini zur Ansicht gelangt, daß er genügend Nutzen aus der Rushdie-Affäre gezogen hat, wird es ihm nicht schwerfallen, seine Töne wieder zu ändern. Ein Gerichtsverfahren gegen Rushdie, wie es von der islamischen Konferenz-Organisation vorgeschlagen wurde, könnte ihm einen möglichen Ausweg bieten.

Was immer auch geschehen mag: Khomeini ist weder in einer Position, sein früheres unnachgiebiges Verhalten zu wiederholen, noch erlauben die kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Folgen des Krieges eine weitere internationale Isolierung. Die Plaudereien und Korrespondenzen des Ayatollah mit Moskauer Führern folgen dabei lediglich der üblichen Taktik: „Nähere dich dem Osten, um einen um so besseren Empfang im Westen zu bekommen.“

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