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„Befreites Gebiet“ wird älter

■ Frauenkulturhaus „Im Krummen Arm“ feiert siebenjähriges Jubiläum mit einem Buch / 200 Gästinnen befragt und 500 Veranstaltungen gezählt / 1971 ging die Frauenbewegung mit Männern los

Drei Mitarbeiterinnen des Bremer Frauenkulturhauses wollten nicht warten, bis eventuell im 21. Jahrhundert Frauenforscherinnen nach ihren verwischten Spuren fahnden. Sie machten sich deshalb für ein ABM-finanziertes Jahr selbst an die Arbeit und schrieben einen Rückblick auf „7 Jahre Frauenkulturhaus Bremen“.

Ihr Blick schweifte sogar ein Jahrzehnt weiter zurück, bis in den Herbst 1971, in dem die „Neue Frauenbewegung“ in Bremen erstmals in Erscheinung trat. Bei genauerem Hinsehen han

delte es sich anno 1971 sogar um eine Männer-und Frauenbewegung. Denn die „Frauenfrage“ wurde in Bremen zwei Jahre lang in einer gemischtgeschlechtlichen Gruppe diskutiert. Die 40köpfige „Aktion § 218“ verstand sich „als eine politische Gruppe, in der sich Frauen und Männer im Kampf gegen jede Art von Unterdrückung der Frauen in dieser Gesellschaft organisieren... Unsere Arbeit gilt vor allem den Frauen der sozial schwachen Schichten, den Arbeiterinnen.“ Im Jahr 1972 schulte sich die Gruppe noch mit dem männ

lichen Theoretiker Friedrich Engels über den „Ursprung der Familie“. Ein Jahr später, 1973, schmissen die Gruppenfrauen die Männer hinaus und bildeten sich eine eigene Theorie: „Klassenfragen stellen einen Unterpunkt im umfassenden feministischen Kampf gegen eine patriarchale Weltordnung dar...“.

1975 gründeten sie das Frauenzentrum, das „große Frauenbewegungskollektiv“. Die Auseinandersetzungen wurden „frontal geführt“. Sie drehten sich um die „richtige“ politische Linie, auf die Frauen aus dem „Kommuni

stischen Bund“ (KB) ihre Schwestern einschwören wollten. Später ging es erbittert um „Lesben“ und „Heteros“, und damit um Argumente wie „Frauen, die Männer lieben, können nicht mit ganzem Herzen gegen die Gewaltherrschaft des Patriarchats kämpfen.“

Das „Frauenzentrum“ wurde schließlich abgelöst von überschaubaren „Frauenprojekten“. Das Bremer Frauenzentrum zog 1982 ins Erdgeschoß des neugegründeten Frauenkulturhauses mit ein, wo es sein Schattendasein Ende 1987 beendete.

Das Frauenkulturhaus nun mit seiner relativ kurzen siebenjährigen Geschichte hat auch schon etliche Wandlungen und personelle Fluktuationen durchgemacht. Die Gründerinnen hatten am Anfang kämpferisch von ihrem Haus (Im Krummen Arm 1) als von einem „kleinen, befreiten Gebiet“ geredet. Nun, anno 1989, nennen sie ihr kleines zweistöckiges Haus, schlichter - einen „Freiraum“. In einer Umfage unter den Besucherinnen ermittelten sie, was die über 200 regelmäßigen Besucherinnen gemein haben: Sie

sind zwischen 20 und 40 Jahren alt, kinderlos, mindestens zur Hälfte lesbisch, ohne festen Job und pädagogisch vorgebildet. Und sie sind meistens froh, daß es das Cafe gibt, nutzen es aber längst nicht so häufig, wie es sich die Cafe-Frauen wünschen.

Auf der Jubiläums-Pressekonferenz gestern ging es prosaisch zu: „ABM“ und „Bürokratisierung“ hießen die Stichworte. Das Kulturhaus gehört seit dem 1. März einer stolzen Käuferinnen -Gemeinschaft, die den größten Teil des Kaufpreises aus Frauendarlehen aufbringen konnte. Doch drei der vier beantragten AB-Maßnahmen wurden bisher nicht vom Arbeitsamt bewilligt. Nur noch fünf Frauen führen das Haus samt Cafe, Büro und Gruppenraum in die 90er Jahre. Ihre Wünsche außer ABM: Rollstuhlgerechte Nutzung, Dachbegrünung und Parkettboden.

Barbara Debus

Anna Postmeyer, Margarethe Rosenberger, Andrea Schweers: andersArtig, 7 Jahre Frauenkulturhaus Bremen. Zu bestellen im Dokumentationsbüro „Auf den Kulen 34“, 28 Bremen. DM 15 oder 20.

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