: Wer nicht gestorben ist, lebt
■ Statistisches Landesamt deutet die Daten der Volkszählung / Zahlen dokumentieren bekannte Probleme und Tatsachen / Landesamt sieht erste politische Konsequenzen
Eigentlich fehlt nur noch die Feststellung, daß von der zunehmenden Zahl der Scheidungen Frauen und Männer in gleicher Weise betroffen waren. Ansonsten ist die erste Teilauswertung der bei der Volkszählung 1987 gesammelten Daten, die das Statistische Landesamt in Bremen jetzt vorgelegt hat, eine Zusammenstellung von Selbstverständlichkeiten und längst bekannten Tatsachen. Nun zwar mit genauen Zahlen belegt, aber eben von Anfang 1987, also zwei Jahre alt. So wissen wir jetzt nicht nur, daß es vor zwei Jahren im Land Bremen viel weniger EinwohnerInnen gegeben hat als noch vor 17 Jahren - dem Termin der letzten Volkszählung. Dank des Statistischen Landesamtes kennen wir jetzt auch die Gründe dafür: Die Leute sind dahingezogen, wo gebaut wurde, nämlich ins Bremer Umland. Und: Die
Sterbefälle waren höher als die Zahl der Geburten.
Während die Scheidungsrate in den Großstädten höher war in Bremen waren 1987 6,0% der Gesamtbevölkerung geschieden war sie in den ländlichen Bereichen geringer. Insgesamt gibt es aber eine steigende Tendenz. Daraus und aus der steigenden Zahl der Ledigen „lassen sich indirekte Hinweise auf veränderte Einschätzungen von Ehe und Familie ableiten“, so die verblüffende Erkenntnis der Bremer StatistikerInnen. Aus dem starken zahlenmäßigen Anwachsen der Menschen in der Altersgruppe von 18 bis 25 Jahren schließt das Landesamt, daß es den „vielzitierten Babyboom“ tatsächlich gegeben hat. Und aus dem erheblichen Rückgang der Kinder im Alter von 6 bis 15 Jahren - die Zahl ist immerhin um 55,2% ge
ringer als 1970 - wissen die MitarbeiterInnen des Landesamtes, daß dieser Boom auch wieder vorbei ist.
Wer es trotz riesiger Wartelisten bei den Wohnungsbaugesellschaften und der das Angebot deutlich überschreitenden Nachfrage auf dem Immobilienmarkt immer noch nicht glauben mochte - jetzt ist es zahlenmäßig belegt: In Bremen gibt es zu wenig Wohnungen. Daß der Bremer Senat vor kurzem ein Wohnungsbau-Förderungsprogramm eingeleitet hat, wertet das Landesamt als direkte Folge dieser Zahlen: „Es waren wohl wenige, die mit einem so eindeutigen Beleg für die dringende Notwendigkeit der Zählung und der unmittelbaren politischen Umsetzung im Sinne der Wohnung nachfragenden Haushalte gerechnet hatten“, jubeln die StatistikerInnen. Hier
hätte das Motto der Volkszählung - zehn Minuten, die allen helfen - für die „begünstigten Wohnungsmieter und deren Interessenvertreter unmittelbar Niederschlag“ gefunden.
Allenfalls für Statistikfans ist interessant, wie das Bundeslandes Bremen und die Städte Bremen und Bremerhaven im bundesweiten Vergleich dastehen. Mit 660.084 EinwohnerInnen
-statistisch „Einwohner am Ort der Hauptwohnung“ genannt hatte das Land Bremen 60.000 Einwohner oder 8,7% weniger als 1970. Damit liegt Bremen im Trend der Stadtstaaten. Die Stadt Bremen steht mit einem Verlust von von 50.000 EinwohnerInnen (-8,4%) im Großstädtvergleich noch günstig da. Bremerhaven (minus 9,8%) schneidet mit Blick auf andere norddeutsche Städte eher ungünstig ab. om
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