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Umweltschützer gegen Pyrolyse-Giftmüllofen

■ Erörterungstermin zur endgültigen Genehmigung der Pyrolyseanlage / Fehlfunktionen seit sechs Jahren

Salzgitter (taz) - Niedersächsische Umweltschutzverbände und Grüne laufen gegen die endgültige Genehmigung der „Pyrolyse Salzgitter“ Sturm, einer mit 50 Millionen Mark subventionierten „Entsorgungsanlage“, die „mehr Giftmüll produziert, als sie verarbeitet“. Der Giftmüll-Drehrohrofen, in dem eigentlich Industriemüll zu wiederverwertbaren Ölen „verschwelt“ werden soll, habe in den letzten sechs Jahren nie funktioniert und könne aus prinzipiellen Gründen nicht funktionieren, sagte der Gegengutachter und Giftmüllspezialist Dr.Michael Braungart beim öffentlichen Erörterungstermin in Salzgitter.

„Subventionsbetrug“ warfen die Grünen aus Salzgitter der Betreiberin der Pyrolyseanlage, der „Noell AG“ vor. Die Tochter des Salzgitter- Konzerns habe seit 1982 vom Bundesforschungministerium rund 50 Millionen Mark an Subventionen für das Pyrolyseverfahren erhalten, ohne das bis heute ein Bericht über die angeblich geförderten wissenschaftlichen Begleitprogramme vorliege. Der „Deutsche Bund für Vogelschutz“, der BUND und auch das Niedersächsische Landvolk protestierten auf dem Erörterungstermin des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens dagegen, daß ungefähr zwei Fünftel der Genehmigungsunterlagen angeblich aus Gründen des „Patentschutzes“ von der Bezirksregierung für „geheim“ erklärt wurden und den betroffenen Bürgern unzugänglich blieben.

In dem 28 Meter langen Drehrohrofen der Pyrolyseanlage sollten eigentlich jährlich 45.000 Tonnen Kunstoffabfälle, Lackschlämme und Rückstände aus der chemischen Industrie unter Luftabschluß erhitzt und in normalverwertbares Öl und Gas umgewandelt werden. Bisher produziert die Anlage allerdings nur mit hochgiftigen Furanen und Dioxinen belastete Pyrolyse-Öle. Diese belasteten Öle würden zur Zeit in einer zusätzlich in die Anlage eingebauten Hochtemperaturverbrennungsanlage verbrannt, erklärten die Betreiber auf dem Erörterungstermin Anfang dieser Woche.

Nach Aussage von Michael Braungart vom Hamburger Zentrum für Ökologische Technik ist die Produktion dieser hochgiftigen Stoffe in der Pyrolyseanlage unvermeidbar. Über den Abfall und durch die Wärmeausdehnung des Ofens gelange immer Luft in die Anlage und führe zu unvollständigen Verbrennungsvorgängen. Es sei da immer noch sinnvoller, den Giftmüll gleich zu verbrennen, erklärte der Chemiker.

Die Grünen im Rat der Stadt Salzgitter konnten rechtzeitig zum Erörterungstermin Auszüge aus den Schichtbüchern der Bedienungsmannschaft vorlegen. Diese verzeichnen laufend Lecks, Rohrverstopfungen, Überlaufen von Behältern - zum Teil fünf verschiedene Störfälle an einem Tag. Gegenüber dem niedersächsischen Privatradio FFN haben inzwischen Mitarbeiter einer Zeitarbeitsfirma geschildert, wie sie, mitten im Strom giftiger Gase stehend, in der Anlage Reparatur- und Reinigungsarbeiten ausführen mußten.

Als „geheim“ wurden von der Bezirksregierung auch die Analysen über die Zusammensetzung des zu verarbeitenden Giftmülls und der produzierten Öle, Gase und Schlacken eingestuft. Gutachten über die Emissionen der Anlage, so der Chemiker Braungart, seien in den Genehmigungsunterlagen nicht vorhanden.

Jürgen Voges

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