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Boxer-Schönheit in Schwarzweiß

■ „Broken Noses“ von Bruce Weber ist das romantisch verklärte und sehr stiliert fotografierte Portrait eines amerikanischen Boxer zu den Klängen des Cool Jazz von Chet Baker

Einer der wenigen Filme, die auf der diesjährigen Berlinale nur Lob ernteten, war „Let's get lost“ - Bruce Webers zweistündige Liebeserklärung an den Trompeter Chet Baker. Weber, der derzeit gefragteste Modefotograf in den USA, ist als Filmemacher ein Neuling. „Let's get lost“ ist sein zweiter Film und „Broken Noses“ wirkt wie eine Vorstudie dazu. Er ist wie eine vorsichtige Annäherung an Chet Baker: Ihm ist „Broken Noses“ gewidmet, seine Musik ist neben anderen Jazzstandards und Songs aus den fünfziger Jahren ständig zu hören, und der Boxer Andy Minsker sieht dem jungen Chet Baker sehr ähnlich. Das gibt Weber auch als einen der Hauptgründe dafür an, daß er über Minsker, seiner Familie und die Gruppe von jungen Boxern, die er trainiert, diesen halbdokumentarischen Film drehte.

Dieselben Stilmittel, Techniken und besonders die vorherrschende romantisch, erotische Stimmung sind in beiden Filmen Webers zu entdecken: die meisten Bilder in grobkörnigem schwarzweiß, zum Teil extreme Großaufnahmen. Bei den wenigen Szenen von Kämpfen oder dem Training tänzelt auch die Handkamera im Ring herum - dagegen ruhige Einstellungen bei den Gesprächen, die Vertrautheit vermitteln.

Webers Filme bestehen, wie seine Fotografien, aus gestellten, genau auskalkulierten Einstellungen und dem eingefangenen Zufall. Andy Minsker und die zehn-bis fünfzehnjährigen Boxer posieren, stehen wie bei einer Portraitaufnahme frontal vor der Kamera und erzählen von den Kämpfen, oder sie führen exhibitionistisch immer wieder ihre nackten Oberkörper und Muskeln vor. Aber im Rahmen dieser gestellten Szenen herrscht Freiheit: wenn Andy stolz in seinem Schlafzimmer seine Trophäen vorführt, dabei von einem Anruf seiner Mutter unterbrochen wird und mit verschämt, verlegenem Kichern

erst denn Anruf beantwortet, und dann nicht mehr von seinen Siegen, sondern seiner Mutter erzählt, (und all daß bleibt ohne Schnitt im Film), dann enthüllt das treffend seinen naiv, kindlichen Machismo und macht ihn gleichzeitig sympathischer. Weber stellt nicht bloß, bei ihm sieht jeder gut aus, und daß müßen auch alle bei den Aufnahmen gespürt haben, denn sonst hätten die dreizehnjährigen toughen Boxer nicht von ihren Tränen im Ring oder ihren Niederlagen erzählt und Andy's Mutter hätte nicht nach einem Gespräch über dessen Jugend gesagt: „Darüber wurde hier noch nie gesprochen; ihr solltet öfter mit eurer Kamera kommen und die Familie zurechtrücken.“

Weber versucht in seinen Filmen die Grenzen zwischen Fotografien und Film (stil-and moving pictures) zu verwischen. Viele seiner gefilmten Szenen sind so geschnitten und mit wenig Bewegung aufgenommen, daß sie wie

Fotografien wirken; die Bilder aus Andy's Familienalbum oder Schnappschüße von seinen Kämpfen wurden dagegen mit Kameraschwenks, abrupten Schnitten und ungewöhnlichen Perspektiven in Bewegung gebracht. Bruce Weber selbst meint: „Man sagt immer, in einem Foto ist keine Bewegung. Das finde ich nicht! Klar, ein Foto hält einen Moment fest, und ein Film viele Momente. Aber ich habe immer noch diese Idee im Kopf, eines Tages einen Film über ein einziges Foto zu machen.

„Broken Noses“ ist noch nicht solch ein durchgehend aufregender und schöner Film geworden wie „Let's get lost“. Manchmal wird die Grenze zum Kitsch übertreten, einige optische Spielereien wirken aufgesetzt, aber alle Elemente sind schon da, und da man wohl noch etwas warten muß, bis „Let‘ get lost“ in die Kinos kommt, ist dies eine gute Einstimmung.

Wilfried Hippen

Cinema 19.00 Uhr

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