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Adolf-Grimme-Preis

Jährliche Ermahnung. (25 Jahre Adolf-Grimme-Preis in Marl, Samstag, 20 Uhr, West 3) Wehmut schwingt mit um Verlorenes. Heinrich Breloer blickt zurück auf ein Vierteljahrhundert der Verleihung des Grimme-Preises, aber der Blick ist getrübt. Nicht aus Befangenheit, weil Breloer selbst mehrfach ausgezeichnet wurde, sondern aus der Befürchtung um die qualitative Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.

Die guten alten Zeiten. Heinrich Breloer dokumentiert die Geschichte des Fernsehpreises und meint das Medium. Indem er Revue passieren läßt, welche Filme mit der Ehrung bedacht wurden, entwirft er mit analytischem Scharfsinn den Bedeutungswandel der Fernsehkultur. War das Fernsehen zu Beginn eine weitgehend unbekannte technische Innovation, deren journalistische Dimension erst erkannt werden mußte, vollzog sich in den siebziger Jahren nach der Aneignung des Mediums die Emanzipation der Themen.

Abseits von Ausgewogenheitsgrundsätzen gelang es Dokumentarfilmern, gesellschaftliche Wirklichkeit auch aus der Sicht der Betroffenen abzubilden. Breloers Beispiele der Film Polizeistaatsbesuch zu dem Schah-Besuch und die Dokumenation Rote Fahne über die ersten Massenentlassungen in einem Chemiewerk - verdeutlichen, daß die Glanzzeit des Fernsehens als aufklärerisches Instrument auf das Jahrzehnt nach den Studentenunruhen beschränkt blieb.

Breloers Jährliche Ermahnung erteilt eine deutliche Absage an die jüngere Fernsehgeschichte, die von Parteienproporz und der Jagd nach Einschaltquoten bestimmt ist. Zum Jubiläum des Grimme-Preises ein ernüchterndes Bild: „Im Durchschnitt seines Angebotes ist das Fernsehen heute geeignet, die Aufklärung zu beenden“, sagt Günter Gaus im Interview und meint einen Qualitätsverlust, der nicht durch die wenigen Grimme-Preis-verdächtigen Produktionen kritischen Zuschnitts aufgewogen wird. Breloers Film bringt schmerzlich zu Bewußtsein, daß die öffentlich-rechtliche Fernsehkultur schon an Profil verloren hatte, bevor sie sich mit der drückenden Konkurrenz der Privaten entschuldigen konnte.

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Auf den Spuren von Pier Paolo Pasolinis wandelt Ivo Michels in WDR um 22.30 Uhr. Michaeli befragte Jugendfreunde, Schriftsteller wie Alberto Moravia, Franco Fortini, Peter Schneider, sowie Schauspieler nach dem Leben des italienischen „Freibeuters“. 13 Spielfilme, darunter Salo oder die 120 Tage von Sodom, sowie Episodenfilme, Dokumentarfilme hatte der Autor gedreht, sich als ungeschützter Kritiker des kulturellen Verfalls in den italienischen Tageszeitungen einen Namen gemacht, bevor er in der Nacht des 2. Mai 1975 durch den Strichjungen Pino Pelosi am Strand von Ostia ermordet wurde. Auch ihn, den Mörder, hat der Autor befragt.

„Kein Bewegungsfilm - ein bewegender Film“ schrieb die taz, als 1987 die Kinodokumentation Spaltprozesse-Wackersdorf 001 anlief. Bertram Verhaag und Claus Strigel schildern die persönlichen und strukturellen Umwälzungen in der Oberpfalz infolge des Baus der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf. Knapp vier Jahre nach der offiziellen Standortverkündung der WAA zeigt die Südkette diesen Film um 21.05 Uhr, der zwölf Preise und Auszeichnungen erhielt. Der Dokumentarfilm zeigt wie bei ehemals staatsgläubigen Bürgern, Beamte, Hausfrauen, Mütter, sich aus anfänglicher Empörung ein gesellschaftliches Verantwortungsbewußtsein herausbildet, er zeigt Jagdszenen aus dem Bayrischen Wald, in denen die Betroffenen vor Ort in ohnmächtiger Wut den schilderbewehrten Polizisten bei bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen gegenüberstehen. Im Anschluß folgt eine 90-minütige Live-Diskussion mit Sachverständigen, mit Persönlichkeiten aus dem Oberpfälzer Widerstand sowie den Filmemachern.

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