piwik no script img

Nach Baker- jetzt Brady-Plan

US-Finanzinister schlägt marktwirtschaftlichen Teilverzicht bei Bankschulden vor 450 Milliarden angepeilt / Rückkauf und Umwandlung mithilfe von IWF und Weltbank  ■  Von Ulli Kulke

Der Baker-Plan ist (längst) tot - es lebe der Brady-Plan. Der neue US-Finanzminister Nicholas Brady hat jetzt erstmals mit einem Vorschlag zur Schuldenreduzierung in die Diskussion um Strategien zur Lösung der Währungskrise eingegriffen. Sein Vorgänger und jetziger Außenminister Baker hatte dagegen mit seinem Plan stets eine Erhöhung des Schuldenstandes angestrebt - er wollte vor allem neue Kredite in die Länder der Dritten Welt pumpen.

Brady hat im einzelnen drei Lösungswege vorgeschlagen, die allerdings noch nicht in letzter Konsequenz mit dem Weißen Haus, mit der Notenbank und auch nicht mit dem nationalen Sicherheitsrat abgesprochen sind. Zum einen schwebt Brady ein Modell vor, das bereits in einzelnen Fällen praktiziert wurde - mangels finanzieller Masse allerdings nur in geringem Maße: Der Schuldenrückkauf. Die verschuldeten Länder gehen in diesem Fall direkt an den „Second Hand Markt“ für riskante Kredite, deren Rückzahlung ungewiß ist, und kaufen dort die von ihnen selbst ausgestellten Schuldscheine zum marktüblichen Discount-Preis zurück („Debt buy back“). Der Abschlag liegt hier je nach noch übriggebliebener Kreditwürdigkeit zwischen und 40 und 90 Prozent. Insbesondere hiergegen hatten sich die kreditgebenden Geschäftsbanken bisher vehement gewehrt, wollten sie doch den Schuldnerländern keinerlei Anlaß geben, durch finanzielle Unbotmäßigkeiten den Kurs ihrer Schuldscheine zu drücken, um sie noch billiger zurückkaufen zu können.

Als zweiter Weg schwebt Brady vor, Schulden umzuwandeln in regierungs-verbürgte Papiere, die zwar den ursprünglichen Nominalwert behalten, jedoch niedriger verzinst - weil abgesichert - werden. Drittens sollte die Umwandlung von Schulden in Direktbeteiligungen vorangetrieben werden. Als Beteiliger kämen entweder die kreditgebenden Geschäftsbanken selbst oder dritte Unternehmen, die die Schulden übernehmen würden, in Frage („Debt to Equity Swap“). Insgesamt sollen dadurch die Schulden um 450 Milliarden Dollar reduziert werden.

Tatsächlich neu an diesem Plan wäre dabei nur der verstärkte Ausbau des ersten Modells. Beide anderen Wege gehören seit einiger Zeit zum „Menu Approach“ der Banken, die sie ihren Schuldnern anbieten. In Ausnahmefällen - wie beispielsweise Bolivien - wurde auch bereits das „Debt buy back„-Verfahren praktiziert. Woran es allerdings neben nach wie vor herrschenden prinzipiellen Bedenken hakt, ist Geld. Zum Schulden-Selbstrückkauf aber auch zur Verbürgung bei Schuldenumwandlung hat Brady jedoch offenbar schon mögliche Partner vorsondiert. Die Weltbank ist durch ihre jüngste Kapitalerhöhung um 75 Prozent sehr liquide, und Bankchef Barber Conable hat bereits Kooperationsbereitschaft signalisiert. Auch Camdessus, Boß des Internationalen Währungsfonds (IWF), meinte, der Plan komme zur rechten Zeit und klagte zurecht größere Flexibilität bei den Banken ein. Unter Umständen wird es im Frühjahr auch beim IWF eine Kapitalerhöhung geben. Von den Banken - zumal den krisengeschüttelten US-amerikanischen - kam allerdings erwartungsgemäß noch keine ungeteilte Zustimmung. Anders die liquiditätsstrotzenden japanischen Kreditinstitute, mit denen Brady offenbar kürzlich bereits über sein Vorhaben konferierte. Brady und sein japanischer Kollege Murayama sind sich nach Bradys Worten sicher, daß aus Japan erhebliche Gelder zur Durchführung des Brady-Planes kommen könnten. Alle Beteiligten, Minister, Banker, IWF und Weltbank sind sich allerdings auch darin einig, daß der Brady-Plan nur auf solche Länder angewendet werden sollte, die sich zu durchgreifenden wirtschaftlichen Anpassungsmaßnahmen bereiterklärten. Immerhin: Bislang galt dies immer nur als Voraussetzung für neue Kredite, die immer tiefer in die Verschuldung und damit noch größere Abhängigkeit trieben. Sollte es jetzt tatsächlich zu (Teil -)Erlassen kommerzieller Kredite in größerem Ausmaße kommen, wäre es zumindest ein Weg in eine andere Richtung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen