: Eskalation im „Hafenkrieg“ im Libanon
Der Griff des Christen-Generals Aoun nach den Häfen moslemischer Milizen löste eine neue Kampfrunde aus / Nach Blockade der Schiffahrt nun auch der Flughafen geschlossen / Bombardement auf dem noch offenen Landweg nach Damaskus ■ Aus Beirut Petra Groll
So ruhig wie in schlimmsten Bürgerkriegszeiten gab sich am Wochenende die libanesische Hauptstadt Beirut: Die nationale Fluggesellschaft „Middle-East-Airlines“ (MEA) mußte alle Aktivitäten einstellen, nachdem internationale Versicherungsgesellschaften sich geweigert hatten, das Risiko zu tragen. Keine Maschine dröhnte über die Einflugschneise in der Stadtmitte dem „Internationalen Airport Beirut“ (AIB) entgegen.
Wer das Land verlassen will, steht derzeit vor großen Schwierigkeiten. Am Samstag abend hatte die im überwiegend christlichen Ostbeirut herrschende militärische Übergangsregierung des Generals Aoun verkündet, der AIB im moslemischen Westteil der Stadt müsse „aus Sicherheitsgründen“ und „bis auf weiteres“ geschlossen werden. In einer regelrechten Kettenreaktion konterten Führer des moslemischen Oppositionslagers, die gleichen Sicherheitsprobleme bestünden auch für den Hafen von Beirut (unter Aouns Kontrolle) und den Hafen von Iounieh (unter Kontrolle der Christenmiliz, FL), der einzige Hafen im Libanon, von dem aus Passagiere nach Zypern reisen können.
In der Nacht zum Montag kam denn auch der noch offene Landweg in die syrische Hauptstadt Damaskus unter zeitweise schweres Bombardement, als Gefechte zwischen der Armee der christlichen Übergangsregierung und der Drusenmiliz PSP (Progressiv Sozialistische Partei) sich verschärften. Von der seit 1983 bestehenden „Front von Souk el-Gharb“, wo sich die beiden Parteien gegenüberliegen, griffen die Gefechte auch zur „grünen“ Demarkationslinie in der Hauptstadt über. Hier stehen die Verbündeten der PSP, die schiitischen Amal und Hizbollah-Milizen der Armee General Aouns gegenüber. Prompt wurde heftig diskutiert, ob der einzige Übergang zwischen Ost- und Westbeirut, die Museumspassage, geschlossen werden soll.
Die Gefahr einer militärischen Eskalation wuchs nach einer Phase regelrechter Euphorie im Schatten eines großangelegten Rettungsversuches der Arabischen Liga. Bei diesen Verhandlungen mit allen libanesischen Kriegsherren, Politikern und religiösen Führern sollte die Wahl eines neuen Staatspräsidenten vorbereitet und die Spaltung des Landes verhindert werden. Die dritte Verhandlungsrunde, vorgesehen für Mitte dieses Monats, wurde bereits verschoben.
Nach einem militärischen Versuch General Aouns, zumindest im Osten Beiruts die Milizenherrschaft zu beenden und somit Voraussetzungen für die geplanten Präsidentschaftswahlen zu schaffen, scheiterte ein weiteres Vorhaben des christlichen Regierungschefs, sämtliche Häfen des Landes unter seine Autorität zu stellen. Die 14 meist illegalen libanesischen Häfen werden von den großen Milizen kontrolliert, die auch die Zollabgaben kassieren.
Einen Kompromißvorschlag der in Westbeirut herrschenden mehrheitlich moslemischen Übergangsregierung des Interimspremiers Selim el-Hoss, in den Häfen unter moslemischer Kontrolle zwar Posten der zentralen Zollbehörden einzurichten, sie aber nicht zu schließen, da sie für die Versorgung des Landes mit Gebrauchs- und Konsumgütern unabdingbar seien, hatte General Aoun rigoros abgelehnt. Umgehend war eine De-facto-Blockade dieser Häfen erfolgt, als Aoun die Küstenwache und libanesische Luftwaffe angewiesen hatte, jedes Schiff in den Hafen des christlichen Ostbeirut und somit seinen Herrschaftsbereich umzuleiten.
Die moslemischen Spitzenpolitiker sind der Auffassung, daß auch die Nutzung der christlichen Häfen verhindert werden soll, wenn ihre eigenen blockiert sind. Zur Warnung wurden zwei Raketen auf den von Aoun beherrschten Hafen in Ostbeirut abgeschossen.
Die libanesische Öffentlichkeit hat jede Hoffnung auf ein baldiges politisches Übereinkommen zwischen den gegnerischen Parteien bis auf weiteres begraben müssen.
In der Montagspresse wurde jedoch diskutiert, die für das Land unabdingbaren Verkehrs- und Transporteinrichtungen zu entmilitarisieren und politisch zu neutralisieren. Damit soll verhindert werden, daß die darniederliegende Wirtschaft dem Barometer einer scheinbar völlig unberechenbaren politischen Wetterlage ausgesetzt wird.
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