: Zweite Wahl
Zur Senatorinnenwahl bei der Berliner Alternativen Liste ■ K O M M E N T A R
Die Alternative Liste hat eine glücklose Kandidatinnenkür hinter sich. Die Wahl war quälend lang und begleitet von bitteren Intrigen und Streits. Am Ende kein erleichtertes Aufatmen. Nominiert wurde die zweite Wahl. Nicht, und das sei ausdrücklich betont, die Qualifikation der zukünftigen Senatorinnen ist damit gemeint. Die ist unbestritten. Sibylle Volkholz ist hoch anzurechnen, daß sie ihren möglichen Interessenskonflikt mit ihrer Gewerkschaftstätigkeit selbst problematiesiert hat, Anne Klein bringt für ihr zukünftiges Fachgebiet hervorragende Voraussetzungen mit, und daß Michaele Schreyer eine gute Umweltökonomin ist, steht außer Zweifel.
Doch Senatorenämter sind politische Ämter. Nicht umsonst waren im Vorfeld profilierte Namen aus Bonn im Gespräch. Daß die kein Interesse zeigten, wirft ein Licht auf Berlin als politisches Aktionsfeld. Von allen Seiten immer als europapolitisch bedeutsam eingeschätzt, ist Berlin bislang doch immer nur Sprungbrett für Karrieren im Bundesgebiet. Daß sich die bundesdeutsche und Berliner Linke hier nicht anders verhält, ist bedauerlich. Angebote an die Alternative Liste gab es keine, Leute, die angesprochen wurden, winkten ab. All denen, die für Senatorenämter in Berlin nicht zur Verfügung standen, weil sie nach Ministerämtern in Bonn schielen, sei gesagt, daß derzeit der Weg nach Bonn über Berlin führt. Scheitert hier Rot-Grün, ist die Option für Bonn obsolet. Gelingt es - ist es ein bundesdeutscher Freifahrschein. Die Linken dieser Stadt, bequem und karrieresüchtig, drücken sich vor der Verantwortung. Sie haben das Wahlergebnis nicht verdient.
In dieser Lage hat die Partei einen entscheidenden Fehler begangen. Statt sich zu besinnen auf die eigene Kraft, auf die eigenen Leute, auf diejenigen, die für dieses rot-grüne Bündnis gekämpft, gestritten und gelitten haben, bindet sie die in der Fraktion fest. Basistümelei, Angst vor Autoritäten und auch Neid und Mißgunst herrschen in Partei und Fraktion. Senatorinnen könnten sonst die machtbewußte Politikerin und brillante Rednerin Renate Künast sein oder Heidi Bischoff-Pflanz, politisches Sinnbild für offene Grenzen. Und auch der politische Hitzkopf Köppl hätte in einem Senat neben dem SPD-Regierenden Momper eine streitbare AL, für grüne Utopie und Programmatik stehen können. Die Chanche ist verspielt. Der Anspruch, die Fraktion nicht zu schwächen, die Rolle des Parlaments auch personell zu stärken, mag im Grundsatz richtig sein. Doch der Preis, eine schwache AL in der neuen Regierung zu haben, ist zu hoch.
Die Sozialdemokraten werden leichtes Spiel haben. Der immer geforderte Druck von links auf die SPD wird von diesen Senatorinnen nicht ausgehen. Sie repräsentieren weder die AL, noch stehen sie politisch für Rot-Grün. Der Vorwurf geht an die Adresse der Partei. Sie hat grüne Politik und Programmatik in grauem Sachverstand ertränkt.
Brigitte Fehrle
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