: Grüne: SPD-Politik Bradys reicht nicht aus
Reaktionen auf Schulden-Vorstoß von US-Finanzminister sehr unterschiedlich ■ Von Ulli Kulke
Zustimmung bei der Bonner SPD-Fraktion, der Bundesregierung sowie den EG-Finanzministern, gewisse Skepsis bei den verschuldeten Ländern Lateinamerikas - diese Reaktion lösten die neuen Vorschläge des US-Finanzministers Nicholas Brady zur Lösung der Schuldenkrise aus. Die Grünen im Bundestag sehen in der verhaltenen Abkehr von der bisherigen Strategie die „weltwirtschaftliche Inkompetenz all jener bestätigt, die bislang den Baker-Plan hochgehalten haben“, wozu auch Bundesfinanzminister Stoltenberg gehöre. Brady hatte neben anderen Wegen auch die indirekte Streichung von Bankschulden angeregt: Die Schuldnerländer sollten ihre eigenen Schulden zum aktuellen marktüblichen Rabatt zurückkaufen. Außerdem sollten Kredit-Umwandlungen zum Zwecke der Zinsbegrenzung oder der Direktinvestition von Gläubigern in den Schuldnerländern angepeilt werden. All das sollten Währungsfonds (IWF) und Weltbank finanziell unterstützen. Baker hatte zuvor nur auf Neukredite gesetzt (siehe taz von gestern).
SPD-Entwicklungsexperte Ingomar Hauchler sieht im Vorstoß der neuen US-Administration deckungsgleiche SPD-Politik: „Diese Vorschläge liegen exakt auf der Linie der Anträge, welche die SPD-Bundestagsfraktion in den Deutschen Bundestag eingebracht hat.“ Inwieweit dabei eigene Angst vor der Destabilisierung in Washington oder wirtschaftspolitische Einsicht hinter den Vorschlägen stünde, sei zweitrangig.
Hauchler in einer Erklärung: „Statt ständig über neue Kredite zur Finanzierung nicht gezahlter Zinsen nachzudenken, geht es darum, die Altschulden der realen Leistungsfähigkeit der Entwicklungsländer anzupassen.“ Im Gegensatz dazu scheinen die verschuldeten lateinamerikanischen Länder gerade auf neue Kredite Wert zu legen. Ganz offenbar sehen sie in Schuldenstreichungen auch die Gefahr, daß zumindest eine Notwendigkeit zu weiteren Krediten entfallen könnte. Die Außenminister der „Gruppe der Acht“ (Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Panama, Mexiko, Peru, Uruguay und Venezuela), die gerade in Buenos Aires tagen, haben als Antwort auf den Brady-Plan eine Erklärung verabschiedet. Darin fordern sie vor allem stärkere Refinanzierung der Auslandsschulden, kräftige (an weniger Auflagen gebundene) Neukredite und Sicherheiten dafür, daß der Kreditfluß nicht ständig unterbrochen wird sowie bessere Zinsbedingungen und langfristige Tilgungsfristen. Allenfalls im Verlangen nach einer „Flexibilisierung der Bedingungen für eine Neubewertung der Auslandsschulden“ könnte die Forderung nach Schuldenstreichungen gesehen werden. Die acht Länder vereinigen 80 Prozent der 400 Milliarden Dollar Auslandsschulden Lateinamerikas.
Bundesfinanzminister Stoltenberg begrüßt die Brady -Initiative und sieht darin vor allem die bisherige Strategie bestätigt: Schon im Kommunique der Berliner Währungskonferenz 1988 sei bereits die Möglichkeit einer marktorientierten und freiwilligen Schuldenreduzierung enthalten gewesen - von einer Subventionierung durch IWF und Weltbank war allerdings in Berlin nicht die Rede.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Ludger Volmer begrüßt die Euphorie von SPD-Hauchler auf seine Weise: „Wenn Bradys Vorschlag auf die Politik der SPD hinausläuft, was durchaus sein mag, dann reicht das aber nicht aus.“ Entscheidend sei, daß die Schulden umfassend gestrichen würden und nicht im Einzelfall. Und wenn der IWF sich daran beteilige, so komme es sehr genau darauf an, mit welchen Auflagen das verbunden sei. Antiinflationäre Maßnahmen in den verschuldeten Ländern seien vertretbar, aber keine Schritte, die ihre Integration in den Weltmarkt zwangsweise festigten, meinte Volmer gestern gegenüber der taz.
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