: Krank im fremden Land
■ AusländerInnen & die Gesundheitspolitik in der BRD
Die Frauenreferentin des Dachverbands für Ausländer-und Kulturvereine Bremen, Rosa Lubia Falk-Garcia, hielt im Rahmen der 1. Bremer Gesundheitswoche den Vortrag „Kränkung im fremden Land„; am Dienstag referierte sie über die Schwierigkeiten gerade ausländischer Frauen, ihre Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit mit der Gesundheitspolitik in der BRD zu vereinbaren.
„Bei den Jugoslawen lautet die häufigste Diagnose Alkoholismus. Türken wird ein höheres Erkrankungsrisiko an psychosomatischen Erkrankungen zugeschrieben. Schizophrenie wird häufig bei Spaniern diagnostiziert, Italiener und Griechen weisen hohe Raten an Neuroseerkrankungen auf“ (Baymak-Schuldt). Pauschale Urteile über die „Gesundheit“ ausländischer PatientInnen. Solche Aussagen berücksichtigen nicht die individuellen Probleme der AusländerInnen mit ihren besonderen sozialen, kulturellen und klassenspezifischen Unterschieden, moniert Falk-Garcia. Um einen individuellen Umgang zu gewährleisten, fordert sie ein neues Gesundheitskonzept, das die Wirklichkeit der AusländerInnen repräsentieren kann.
Dabei weist Falk-Garcia besonders darauf hin, daß sich ausländische Frauen oft mißverstanden fühlen, wenn man sie nicht als ganzen Menschen behandelt. In den traditionellen Gesellschaften, aus denen die Patientinnen oft stammen, bilden Körper, Seele und Leben eine stärkere Einheit als in der westlichen Gesellschaft. Die Frauen nehmen daher die Zusammengehörigkeit von Sorgen, seelischen Leiden, körperlichen Schmerzen sowie den Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastung und Krankheit deutlicher wahr. Die gängige Anonymisierung in Deutschland, auf die Spitze getrieben in der „Die-Niere-von-Zimmer-13„-Spaltung ist für viele Frauen unzumutbar.
Zu berücksichtigen ist auch, daß Frauen ihre Arztbesuche oft solange verschieben, bis die akute Beeinträchtigung des Befindens nicht mehr zu ertragen ist. Hier ist es wichtig, so Falk-Garcia, die Rolle der Frau in ihrer Heimat zu betrachten. Dort gehört es besonders zum Leben der Frauen, „Krankheit und Leid schicksalshaft als von Allah gegeben zu ertragen“. Hinzu kommt, daß die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust und dem Verlust der Aufenthaltsgenehmigung sowie die Unsicherheit im Umgang mit dem Gesundheitssystem das Verhalten der Frauen verstärkt.
„Nicht nur in Arztpraxen und Krankenhäusern, auch in allen anderen Institutionen des Gesundheitswesens muß das Verständnis für die besonderen Probleme der ausländischen MitbürgerInnen geweckt werden“, fordert Falk-Garcia. Dabei sei die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit immer eine vertrauensvolle Atmosphäre.
gin
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