piwik no script img

Ein Jahr lang zweiter Sieger

■ „Viertelbürgermeister“ Hucky Heck zog Ein-Jahres-Amts-Bilanz: Leistungsfeindliche Behörden, machtlose PolitikerInnen, angeschmierte BürgerInnen

Bremer Behörden arbeiten erstens ineffektiv, zweitens leistungsfeindlich und drittens unkontrollierbar. Trotzdem bestimmen sie weitgehend die Politik. Um diese Erkenntnis reicher ist „Viertelbürgermeister“ Hucky Heck nach exakt einem Jahr Residenz im Ortsamt Mitte und zahllosen Kämpfen mit der Bremer Bürokratie. Hecks kühne Konsequenz aus einem Jahr Erfahrung im Behördenumgang: „Man müßte allmählich mal darüber nachdenken, ob nicht leitende Beamte ab und und zu mal rausgeschmissen gehören.“

Insbesondere mit Bremens Bau- und Stadtplanungsämtern hat der Ortsamtsleiter offensichtlich seine liebe Not. Heck gestern anläßlich einer Zwischenbilanz nach dem ersten von insgesamt 12 Amtsjahren: „Wenn es nach den offiziellen Grundsatzbeschlüssen

des Bremer Senats ginge, müßte der öffentliche Personen -Nahverkehr eindeutig Vorrang vor dem privaten Autoverkehr haben. Während meiner Amtszeit habe ich nicht einen einzige Planungsmaßnahme erlebt, in der sich dieser Grundsatz niedergeschlagen hat.“ Überhaupt vermißt Heck in der Bremer Politik „zukunftsweisende Utopien, die den Orientierungsrahmen für die jeweils konkreten Einzelplanungen abgeben können“. Wenn Heck recht hat, leben Bremer Behörden stattdessen konzeptionell von der Hand in den Mund, erarbeiten in aller Regel salamiartige Einzelfallösungen ohne Rücksicht auf die Folgen, die AnwohnerInnen und die Stadtteile. Im anschließenden Rennen um die Gesamtschau bleiben die Stadtteilbeiräte regelmäßig „zweite Sieger“.

Den Ortsamtsleiter ärgert das

umso mehr, als er in den Behördenstuben die eigentliche politische Macht in Bremen erkannt hat. Nicht die gewählten VolksverterInnen und die Regierung bestimmen in Wahrheit, wo's langgeht; alle Vorschläge für praktische Politik stammen aus der Verwaltung. In ihren Planungs-Vorlagen steht unter der Rubrik „Alternativen“ regelmäßig das Wörtchen: „keine“. Heck: „Ein Parlament, dem für jedes Problem von vornherein nur eine einzige Lösung vorgeschlagen wird, kann seinen Auftrag überhaupt nicht mehr erfüllen.“

Trotzdem ist der Viertelbürgermeister nach einem Jahr nicht nur genervt, sondern auch mit sich, seinen MitarbeiterInnen und einigen SenatorInnen ausgsprochen zufrieden. Die besten Noten verteilte Heck gestern an Innensenator Sakuth und dessen Amts

vorgänger Bernd Meyer „für die vorurteilsfreie Zusammenarbeit“. Bei Sozialsenator Henning Scherf stehe vor jedem Erfolg allerdings ein „langes und zähes Ringen“. Trotzdem ist Heck („Mit mir wird es Verdrängung von Randgruppen nicht geben“) auch mit seinen sozialpolitischen Erfolgen zufrieden: So sollen sich die Punks im Viertel ein eigenes Wohnhaus ausbauen können. Entsprechende ABM-Verträge und 140.000 Mark für Baumaterialien sind fest zugesagt. Für die Kinder von AsylbewerberInnen hofft der Ortsamtsleiter auf eine eigene Kinderbetreuung, und am Körnerwall soll ein Altenwohnheim entstehen. Außerdem planen Heck und der Stadtteilbeirat ein Projekt, mit dem das Viertel schöner, grüner und freundlicher gestaltet wid und Arbeitslose einen neuen Job finden.

K.S.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen