: Riesen in spe
■ Öffentlich-rechtliche Schaumschlägerei bei RB-Mitschnitt im Römer / Brooklyn wie es singt und lacht
Es ist schon lange her, daß es im Römer so voll war wie weiland auf dem Domshof, als Kutzop auf der Riesenleinwand seinen Elfmeter gegen Bayern versiebte. Die Sichtverhältnisse waren denkbar schlecht für Menschen mit kürzeren Beinen, und ob diese dafür um so besser hörten, mag bezweifelt werden. Zwei Johns aus der neuen Welt hatten sich angesagt, den Bremern ein wenig Spaß ins Gemüt zu drängen.
They Might Be Giants nannten sich die beiden recht überheblich, denn ihre Darbietungen erreichten nicht annähernd gigantisches Niveau. Vor drei überdimensionalen Turban-Ladies, die den Bandnamen viel eher verdient hätten, verausgabten sich die Herren Flansburgh und Linnell an Gitarre und Akkordeon, meistens unterstützt von einer Bandmaschine.
Wie das so ist bei Minimalkonzepten, auch die beiden Amerikaner kamen nicht umhin, ihren musikalischen Vortrag mit einer Menge Rederei zu garnieren, dumm tüüg heißt das in Bremen. Mit verhaltener Lautstärke verwursteten die Möchtegern-Giganten alles, was ihnen zwischen die Tasten und Saiten geriet. Zwischen Balladen, Songs, Folk und Rock'n'Roll pendelten ihre Kurzliedchen, auch vor krachledernen Stiefelsongs im square-dance-Stil machten sie nicht halt. Eigentlich gehören John und John in eine
Kneipe, damit die Komponenten Fetenduo, mächtig gute Laune und Bier zusammenfinden. Doch der Bremer Gig entwickelte sich mehr zur öffentlich-rechtlichen Schaumschlägerei. Im Taumel des Bewußtseins, irgendwann einmal in Radio Bremen Landesgrenzen übergreifend zu hören zu sein, ließen es sich zahlreiche Sardinen im gequetschen Saal nicht nehmen, lautstark mitzujubeln. Keine Aufforderung vom Podium war dümmlich genug, um nicht begeistert aufgenommen zu werden.
So plätscherte der Sing-Sang weiter in Minimalspuren Brooklyn, wie es singt und lacht, hätte es auch lauten können. Natürlich vergaßen die beiden auch ihre Mitmachnummer nicht, bei der alle vor der Bühne klatschen durften und ein armer Junge auf derselben eine Astgabel taktvoll in die Bretterritzen hämmerte. Nach einigen Zugaben, ebenso kurz wie der Rest der Songs, verabschiedeten sich die Riesen in spe artig, doch so richtig verlassen haben sie uns nicht. Wer Lust hat, sich einen der teuersten Liedvorträge zu Ohren zu führen, die derzeit zu erwerben sind, möge 001 718 387 6962 am Telephon versuchen. Diese Nummer gehört John Flansburgh und er versorgt alle, die es nicht anders wollen, mit Sangesmaterial aus dem eigenen Repertoire in Schwarz-Schilling-Qualität. Jürgen Franck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen