: Rücknahme von Strafanträgen gefordert
■ taz-Mitarbeiter hatten im letzten Winter im Rathaus Schöneberg wegen Bespitzelung durch den VS protestiert und waren angezeigt worden
Rechtzeitig vor der Neuwahl der rotgrünen Regierung flatterte 15 Mitarbeitern der taz ein Schreiben der Direktion Verbrechensbekämpfung des polizeilichen Staatsschutzes ins Haus.
Dort wird ihnen mitgeteilt, daß gegen sie wegen Hausfriedensbruch im Schöneberger Rathaus ermittelt wird, weil, so der polizeiliche Eingangsvermerk der Ermittlungsakte, sie sich am 28.11.1988 im Vorraum des Sitzungssaales 0170 aufgehalten hatten, in dem gerade der Innenauschuß tagte. „Auf dem Boden des Vorraumes sitzend“ so der Vermerk weiter - führten sie eine Redaktionskonferenz durch, die von „lauten Unmutsäußerungen und skandierten Sprechchören begleitet“ wurde.
Der Leiter des Ordnungsdienstes habe sie dreimal aufgefordert, den Vorraum zu verlassen. Als sie sich weigerten, wurden sie durch Polizekräfte hinausgeführt und -getragen. Was der Vermerk des Staatsschutzes verschweigt, ist dies: Kurz vor dem 28. November war bekannt geworden, daß die taz jahrelang bespitzelt und ausgespäht worden war. Die Wahrheit über den staatlichen Angriff aufs Redaktionsgeheimnis wurde bis zum letzten Augenblick verschleiert, Innensenat und Verfassungsschutz hatten sämtliche Versuche, die Wahrheit ans Tageslicht zu befördern, durch Lügen, Auskunftsbeschränkungen und Maulkörbe für Mitarbeiter des Amtes vereitelt. Bis zum 28.1..88 war nicht einmal bekannt, ob nicht die taz immer noch Objekt staatlicher Ausspähung war.
Die Aktion der tazler soll - so die politische Staatsanwaltschaft - den Hausfrieden im Schöneberger Rathaus gebrochen haben. Der frühere Präsident des Abgeordnetenhauses, Rebsch, hatte sogleich Stafantrag gestellt.
Die taz verlangt jetzt in gleichlautenden Schreiben an den neuen Präsidenten des Abgeordnetenhaues und die Fraktionen von AL, SPD und CDU den Strafantrag zurückzunehmen und damit anzuerkennen, daß die Aktion eine Notwehrhandlung der Betroffenen gewesen sei.
taz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen